Lernen ist das Persönlichste auf der Welt. Es ist so eigen wie ein Gesicht oder wie ein Fingerabdruck
Heinz von Foerster

Personalisiertes Lernen – Lernen in Lernateliers und Lernlandschaften:

Beim personalisierten Lernen orientieren sich die Lehrpersonen an den einzelnen Schüler*innen als Individuum, deren Vorkenntnissen, Erfahrungen und Interessen. Immer mehr Schulen orientieren sich an dieser neuen Lernkultur und entwickeln erfolgreiche und vielfältige personalisierte Lernkonzepte in unterschiedlichen Settings wie Lernateliers oder Lernlandschaften.

von

Frido Koch

Frido Koch ist Leiter IQES-Netzwerke und stellvertretender Leiter schulentwicklung.ch. Er ist Sekundarlehrer und Schulleiter sowie Berater und Supervisor. 20 Jahre lang leitete er die Oberstufenschule Wädenswil, welche 2013 mit dem ersten Schweizer Schulpreis ausgezeichnet wurde. Arbeitsschwerpunkte: Schul- und Unterrichtsentwicklung, Bildungsprojekten auf der Sekundarstufe I, Schulleitung, Personalisiertes Lernen, kompetenzorientierter Unterricht und Evaluation. Er berät Lehrpersonen, Schulleitungen und Schulteams.

Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch 

und

Gerold Brägger

Gerold Brägger, M.A., ist Leiter und Gründer der Plattform IQES online und des Beratungs- und Weiterbildungsinstituts schulentwicklung.ch. Er ist Erziehungswissenschaftler, Schulberater, Lehrerbildner, Autor von pädagogischen Fachbüchern und Lernmitteln sowie Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift PÄDAGOGIK.

Arbeitsschwerpunkte: Schul- und Unterrichtsentwicklung, Evaluation, Digitale Medien in Schule und Unterricht, kompetenzorientierter Unterricht und selbstkompetentes Lernen, Schulleitung, Gute gesunde Schulen, Schulentwicklung in Netzwerken und Bildungsregionen.

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Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch

Publikationen von Gerold Brägger im Beltz Verlag

Personalisierte Lernkonzepte – Kombination dreier Unterrichtssettings

Wie können Schüler*innen mit unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen optimal gefördert werden? Durch die wachsende Heterogenität der Lernenden beschäftigt diese Frage die Lehrpersonen und Schulen immer mehr. Gesellschaftliche Veränderungen haben dazu geführt, dass sich Schulen zunehmend stärker an den heterogenen Voraussetzungen und individuellen Entwicklungszielen der Schüler*innen orientieren müssen. Um alle Lernenden möglichst gut zu fördern, werden angepasste Unterrichtsmodelle mit personalisierten Lernkonzepten immer wichtiger.

Lernen ist persönlich und individuell, wenn dieser Grundsatz gelebt werden soll, braucht es entsprechende Lernkonzepte, die stark auf individualisierende und kooperative Formen des Lernens setzen. Diese Lernkonzepte sind geprägt durch wechselnde Lernszenarien, differenzierte Lernaufträge und Aufgabenstellungen, adaptive Lernunterstützung, formative Rückmeldungen und ressourcenorientierte Lernberatung. Damit gelingt es den Lehrpersonen die Schüler*innen dort abzuholen, wo diese in ihrem Lernen stehen und ihrem Lernstand entsprechend individuell zu fördern. 

Drei Unterrichtssettings 

Die personalisierten Lernkonzepte setzen mit hoher Flexibilität auf drei verschiedene Unterrichtssettings:

  • Unterricht, welcher durch die Lehrperson gelenkt wird (oft mit dem etwas missverständlichen Begriff «Inputunterricht» bezeichnet)
  • Unterrichtsphasen, in welchen die Schüler*innen die Verantwortung für ihr Lernen übernehmen
  • Kooperative Unterrichtsphasen, in welchen die Zusammenarbeit und das gemeinsame Lernen in unterschiedlichen Lerngruppen im Vordergrund stehen.

Eine gute Mischung und Dosierung der einzelnen Unterrichtsformen sind von zentraler Wichtigkeit. Jede der drei Unterrichtsformen hat Stärken und eine Berechtigung. In der Praxis hat sich an vielen Schulen eine ausgewogene Mischung, zum Beispiel je ein Drittel der Lernzeit in den meisten Fächern bewährt.

Jede der drei Unterrichtsformen hat ihre Stärken und Gelingens-bedingungen.

Geführter Unterricht: Angeleitetes Lernen

Trotz des bisweilen schlechten Rufs: Die Lernwirksamkeit eines gut gemachten Klassen- bzw. Plenumsunterrichts ist wissenschaftlich gut belegt (vgl. Brophy & Good 1986).

Im Gegensatz zu vielen pauschalisierenden kritischen Beurteilungen und abwertenden Diffamierungen dieser Methode (...) handelt es sich nicht um bornierten Paukunterricht (…), sondern um eine sehr anspruchsvolle Instruktionsform.
(Weinert 1996, S. 30)

Offener Unterricht: Selbstgesteuertes Lernen

Wie jede Unterrichtsform ist auch offener Unterricht nicht per se gut oder schlecht, sondern immer in Bezug auf bestimmte Schülerinnen und Schüler mehr oder weniger lernwirksam. Schüler*innen mit günstigen Lernvoraussetzungen können von großen Freiräumen für selbstorganisiertes und selbstreguliertes Lernen enorm profitieren. Für Schüler*innen mit weniger günstigen Lernvoraussetzungen erhalten die Lehrpersonen dank offener Unterrichtsphasen deutlich mehr Unterstützungsmöglichkeiten, sodass auch diese profitieren. Wenn allerdings offener Unterricht als Laisser-Faire-Unterricht verstanden wird, wenige Vorgaben und kaum Rückmeldungen gemacht werden, dann kann ein so (falsch) verstandener offener Unterricht zu einer Benachteiligung schwächerer Schüler*innen führen (vergl. Helmke 2009, S. 249). Welche Gelingensfaktoren gilt es zu beachten, um offenen Unterricht für möglichst alle Schüler*innen zu einem wirksamen und motivierenden Angebot für eigenständiges Lernen zu machen?

Interaktiver Unterricht: Kooperatives-dialogisches Lernen

Nachhaltiges Lernen ist häufig ein individueller und zugleich sozialer Prozess. Ein Unterricht, der das dialogisches Lernen, die direkte Auseinandersetzung und Interaktion der Lernenden fördert, weiß sich das große Potential kooperativer Lernformen zunutze zu machen. In gut strukturierter Partner- oder Gruppenarbeit werden Methoden eingesetzt, die eine hohe aktive Lernzeit aller Schüler*innen ermöglichen. Und dabei gleichzeitig dafür sorgen, dass die Gruppenmitglieder begreifen lernen, wie wichtig konstruktive Zusammenarbeit für den individuellen Erfolg und den Erfolg der Gruppe ist. Auf der Basis einer sicheren Lernatmosphäre kann in kooperativen Lernsettings das eigenverantwortliche Arbeiten in Gruppen eingeübt und Inhalte aus dem geführten Unterricht und dem offenen Unterricht wieder aufgegriffen und vertieft werden.

Unterschiedliche Settings bei personalisierten Lernkonzepten werden durch passende Raumkonzepte wirkungsvoll unterstützt, die sowohl ruhige und motivierende Einzelarbeitsplätze, Räume für kooperatives Lernen und Klassenräume für gemeinsamen Unterricht beinhalten (Raumkonzepte).

Herzstück bei personalisierten Unterrichtskonzepten sind die entsprechende Unterrichtsplanung mit einem hohen Angebot an differenzierten Aufgabenstellungen sowie eine aktive formative Lernbegleitung.

Literaturhinweise

  • Brophy, J., & Good, T. (1986). Teacher behavior and student achievement. In M. C. Wittrock (Ed.), Handbook of research on teaching (3rd ed.). New York: McMillan.
  • Hattie, J. (2013). Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
  • Helmke, A. (2012). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Seelze: 4. Aufl. Klett Kallmeyer.
  • Meyer, H. (2004). Was ist guter Unterricht? Berlin: Cornelsen Scriptor.
  • Reusser, K., Pauli, C. & Stebler, R. (Hrsg.). (2015). Personalisierte Lernkonzepte in heterogenen Lerngruppen (perLen). Zwischenbericht 2015 mit Einblicken in Teilprojekte. Zürich: Universität Zürich, Institut für Erziehungswissenschaft.
  • Reusser, K., Stebler, R., Mandel, D. & Eckstein, B. (2013). Erfolgreicher Unterricht in heterogenen Lerngruppen auf der Volksschulstufe des Kantons Zürich. Wissenschaftlicher Bericht zuhanden der Bildungsdirektion des Kantons Zürich. Zürich: Universität Zürich, Institut für Erziehungswissenschaft.
  • Stebler, R., Pauli, C. & Reusser, K. (2017). Personalisiertes Lernen – Chancen und Herausforderungen für Lehrpersonen. Lehren & Lernen. Zeitschrift für Schule und Innovation aus Baden-Württemberg, S. 21-28.