Das Mosaik der formativen Bewertung:

Viele Schulen entwickeln ihr Praxis der fördernden Bewertung weiter. Im Netzwerk der Schulen, mit denen wir seit Jahren kooperieren, haben wir ein Mosaik erarbeitet, das als Orientierung für diese Entwicklungsarbeit dienen kann. Eine lernförderliche Bewertung vereint Schwerpunkte, die sich als Bausteine gegenseitig ergänzen. So entsteht ein Mosaik der formativen Bewertung, das die Chancen lernwirksamer Rückmeldungen nutzt und alle am Lernen Beteiligten miteinbezieht.

von

Gerold Brägger

Gerold Brägger, M.A., ist Leiter und Gründer der Plattform IQES online und des Beratungs- und Weiterbildungsinstituts schulentwicklung.ch. Er ist Erziehungswissenschaftler, Schulberater, Lehrerbildner, Autor von pädagogischen Fachbüchern und Lernmitteln sowie Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift PÄDAGOGIK.

Arbeitsschwerpunkte: Schul- und Unterrichtsentwicklung, Evaluation, Digitale Medien in Schule und Unterricht, kompetenzorientierter Unterricht und selbstkompetentes Lernen, Schulleitung, Gute gesunde Schulen, Schulentwicklung in Netzwerken und Bildungsregionen.

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Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch

Publikationen von Gerold Brägger im Beltz Verlag

und

Nicole Steiner

Nicole Steiner, MA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin, Autorin und Redaktorin IQES online und IQES Lernkompass, Mitglied Beratungsteam schulentwicklung.ch, Pädagogin, Psychologin, Illustratorin und Theaterpädagogin. Als Primarlehrerin hat sie langjährige Praxiserfahrung, vorwiegend an Schulen mit integrativer Schulungsform. Sie erstellt und betreut Konzepte für Lese- und Schreibförderung, Feedback und Begabtenförderung. Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch

Bausteine und Werkzeuge der formativen Bewertung

Titel Formative Lernkontrollen durchführen & besprechen Baustein 6 Selbstreflexion & -bewertung fördern Baustein 5 Lerndialog & Peerfeedback ermöglichen Baustein 4 vielfältige Feedbackinstrumente & -methoden anwenden Baustein 3 eine gemeinsame Sprache des Lernens aufbauen Baustein 2 lernförderliches Feedback geben Baustein 1

Das Mosaik der formativen Bewertung bündelt praxisbewährte Schwerpunkte einer lernförderlichen Feedbackpraxis. Es vereint inhaltliche und methodische Bausteine, die im Verbund entwickelt werden und sich gegenseitig verstärken.

Klicken Sie auf eine der Waben und Sie kommen zur Beschreibung der einzelnen Bausteine und der damit verknüpften Werkzeuge und Praxistexte.

Formative Bewertung: Das Lernen positiv beeinflussen

Gutes Feedback zu geben, ist eine der anspruchsvollsten und zugleich lernwirksamsten Tätigkeiten von Lehrpersonen. Formative Bewertung ist darauf angelegt, das Lernen im Prozess positiv zu beeinflussen. Sie übernimmt in individuellen Lernprozessen von Schüler:innen (und Lehrpersonen) eine zentrale Rolle. Dies, weil sie zeitnah in den Lernprozess integriert wird und methodisch vielfältig einsetzbar ist.

Formative Bewertung begleitet, unterstützt und fördert Lernende in ihrem Lern- und Entwicklungsprozess und bietet Hand und Möglichkeiten für passende nächste Schritte auf dem individuellen Weg zum Ziel. Zudem unterstützt auch die formative Bewertung die Schüler:innen, ihr Lernen zunehmend selbstständiger zu organisieren, zu steuern und zu reflektieren.

Im Fokus einer wirksamen und stärkenorientierten Lern- und Feedbackkultur stehen Rückmeldungen, die …

  • den Lernprozess ins Zentrum setzen.
  • fachliche und überfachliche Kompetenzen berücksichtigen.
  • in einer für Lernende und Eltern/Erziehungspersonen bedeutsamen und verständlichen Sprache Auskunft geben.
  • zusätzlich zu einer ermutigenden Prozessrückmeldung auch Perspektiven und Strategien für das weitere Lernen beinhalten.
  • Lernende als wichtigste Partner im Lerndialog sehen.
  • nicht nur Aussagen über Leistungen der Lernenden machen, sondern auch darauf Bezug nehmen, dass jede Bewertung eines Lernenden auch immer eine Rückmeldung zum eigenen Unterrichts ist.

Baustein 1

Lernförderliches Feedback geben

Lernförderliches Feedback stellt Schüler:innen und ihre individuellen Lernprozesse ins Zentrum, steuert und optimiert diese und enthält Rückfragen und Informationen in angemessenem Umfang und verständlicher Sprache. Hinweise, mit denen die Schüler:innen auch etwas anfangen können.

Wenn Lehrpersonen im Unterricht selbst eine selbstreflexive und feedbackorientierte Praxis pflegen, können die Schüler:innen am Modell erfahren, wie man Feedback gibt und umsetzt. Lehrpersonen, die zeigen, wie man Feedback gibt und umsetzt, werden Vorbilder für eine lernförderliche Feedbackpraxis.

Welches Feedback ist lernförderlich?

Lernförderliches Feedback setzt im Unterricht an: im Dialog über die Fachgegenstände, die Aufgaben und ihre Lösungen. Darauf aufbauend können Lehrkräfte sinnvolle Rückmeldeformate benutzen, um ihren Schülerinnen und Schülern den Lernstand mitzuteilen.

Autor/Autorin: Felix Winter

Herkunft: PÄDAGOGIK 5/21, Lizensiert für IQES online © Verlagsgruppe Beltz

Umfang/Länge: 4 Seiten

Fächer: alle Fächer

Stufen: alle Stufen

Lernen konstruktiv unterstützen

Schüler:innen beim Wissens- und Kompetenzerwerb zu unterstützen ist die Kernaufgabe von Lehrpersonen. Sie ermutigen Lernende, wenn sie mit einer Aufgabe nicht weiterkommen, und geben wohldosierte inhaltliche Hinweise. Gerade so viel, dass Lernende selbst den nächsten Lernschritt vollziehen können.

Autor/Autorin: Andrea Albers

Herkunft: PÄDAGOGIK 9/22, Lizensiert für IQES online © Verlagsgruppe Beltz

Umfang/Länge: 7 Seiten

Fächer: alle Fächer

Stufen: alle Stufen

Lernförderliches Feedback

Was zeichnet ein lernförderliches Feedback aus? Welche Strategien können Lehrer:innen einsetzen, um Lernende in der Zone ihrer nächsten Entwicklung zu unterstützen? Und: In welchen Lernarrangements und Aufgabenkulturen ist formatives Feedback besonders sinnvoll?

Autor/Autorin: Gerold Brägger

Herkunft: PÄDAGOGIK 9/22, Lizensiert für IQES online © Verlagsgruppe Beltz

Umfang/Länge: 8 Seiten

Fächer: alle Fächer

Stufen: alle Stufen

Adaptive Lernunterstützung und formatives Feedback in offenen Lernumgebungen

Schüler*innen sind in offenen Lernumgebungen auf eine adaptive Lernunterstützung und lernförderliches Feedback angewiesen. Doch wie lässt sich beides im Unterrichtsalltag realisieren? Wie gelingt es Lehrer*innen die Lernenden auf eine Weise zu begleiten, die eine aktive und verständnisorientierte Auseinandersetzung mit anspruchsvollen Aufgaben fördert? Wie können leistungsschwächere Schüler*innen, die in offenen Unterrichtsformen häufig überfordert sind, unterstützt werden? Welche Formen individueller Lernunterstützung bieten sich an? In diesem Beitrag verorten die Autor*innen die Bedeutung einer individuellen Lernunterstützung in Konzepten einer personalisierten Unterrichtsgestaltung. Dabei heben sie hervor, dass bereits in vielen innovativen Schulen schülernahe Formen der Lernbegleitung variantenreich und pragmatisch umgesetzt werden. Sie beschreiben praxisnahe Konzepte und Strategien, skizzieren Formate und Handlungsabläufe der adaptiven Lernunterstützung und porträtieren analoge und digitale Werkzeuge. Im letzten Teil zeigen sie, wie eine verstehensorientierte Lernbegleitung in software- und materialbasierten Lernumgebungen der Mathematik in der Primarstufe professionell gestaltet werden kann.

Autor/Autorin: Gerold Brägger, Kurt Reusser, Nicole Steiner, Reinhold Haug

Herkunft: Brägger/ Rolff (Hrsg.): Handbuch Lernen mit digitalen Medien. Beltz Verlag 2021

Umfang/Länge: 55 Seiten

Aus: Handbuch Lernen mit digitalen Medien

Fächer: alle Fächer

Stufen: alle Stufen

Worauf bezieht sich ein lernwirksames Feedback?

Formatives Feedback ist darauf ausgerichtet, auf der Basis von Lernständen und bereits erreichten Lernfortschritten problem- und situationsbezogen nächste Bearbeitungsschritte anzuregen und für die Lernenden erkennbar zu machen.

Entsprechende Fragen und Impulse

  1. beziehen sich auf Aufgaben oder Lernprodukte und geben Lernenden eine unmittelbare Rückmeldung zu ihrer Aufgabenbewältigung, zeigen ihnen, wo sie stehen, und vergewissern sich, ob sie ihr Ziel kennen;
  2. rücken Prozesse ins Blickfeld, sprechen die von den Schüler:innen eingesetzten Lern- und Problemlösungsstrategien explizit an und weisen ggf. auf alternative Vorgehensweisen hin. Diese Form der Strategieförderung fokussiert auf den Prozess der Aufgabenbearbeitung. Sie erfolgt nicht abseits in einer abstrakten Einführung von Lernstrategien an isolierten Methodentagen, sondern fachlich als aufgabenbezogene Strategieförderung.
  3. machen die Selbstregulierung zum Thema und das dafür notwendige kognitive, emotionale und metakognitive Wissen und Können bewusst.
  4. sprechen die Person und ihre oftmals fachübergreifend wirksamen, lernbezogenen Selbstbilder und Haltungen in periodischen Lernberatungs- oder Lerncoachinggesprächen direkt an. Die von der Sozialpsychologin Carol Dweck als Mindset bezeichneten Einstellungen und Denkmuster beeinflussen die Art und Weise, wie Lernende mit Herausforderungen und anspruchsvollen Aufgaben umgehen (Dweck 2017).

Nach Hattie und Timperley (2007) beantwortet formatives Feedback grundsätzlich drei Fragen, wobei nur eine davon tatsächlich rückwärts (»Feed Back«) und evaluativ auf das bisher Erreichte gerichtet ist und die beiden andern sich auf das Bewusstmachen des zu erreichenden Ziels der Arbeit (»Feed Up«) und auf die nächsten Schritte der produktiven Weiterarbeit an der Aufgabe (»Feed Forward«) gerichtet sind.

Weiterlesen
Fragen und Ebenen des formativen Feedbacks
(Brägger & Steiner 2016, visualisiert nach Hattie & Timperley 2007)

Worauf bezieht sich ein lernwirksames Feedback?

Formatives Feedback ist darauf ausgerichtet, auf der Basis von Lernständen und bereits erreichten Lernfortschritten problem- und situationsbezogen nächste Bearbeitungsschritte anzuregen und für die Lernenden erkennbar zu machen.

Entsprechende Fragen und Impulse

  1. beziehen sich auf Aufgaben oder Lernprodukte und geben Lernenden eine unmittelbare Rückmeldung zu ihrer Aufgabenbewältigung, zeigen ihnen, wo sie stehen, und vergewissern sich, ob sie ihr Ziel kennen;
  2. rücken Prozesse ins Blickfeld, sprechen die von den Schüler:innen eingesetzten Lern- und Problemlösungsstrategien explizit an und weisen ggf. auf alternative Vorgehensweisen hin. Diese Form der Strategieförderung fokussiert auf den Prozess der Aufgabenbearbeitung. Sie erfolgt nicht abseits in einer abstrakten Einführung von Lernstrategien an isolierten Methodentagen, sondern fachlich als aufgabenbezogene Strategieförderung.
  3. machen die Selbstregulierung zum Thema und das dafür notwendige kognitive, emotionale und metakognitive Wissen und Können bewusst.
  4. sprechen die Person und ihre oftmals fachübergreifend wirksamen, lernbezogenen Selbstbilder und Haltungen in periodischen Lernberatungs- oder Lerncoachinggesprächen direkt an. Die von der Sozialpsychologin Carol Dweck als Mindset bezeichneten Einstellungen und Denkmuster beeinflussen die Art und Weise, wie Lernende mit Herausforderungen und anspruchsvollen Aufgaben umgehen (Dweck 2017).

Nach Hattie und Timperley (2007) beantwortet formatives Feedback grundsätzlich drei Fragen, wobei nur eine davon tatsächlich rückwärts (»Feed Back«) und evaluativ auf das bisher Erreichte gerichtet ist und die beiden andern auf das Bewusstmachen des zu erreichenden Ziels der Arbeit (»Feed Up«) und auf die nächsten Schritte der produktiven Weiterarbeit an der Aufgabe (»Feed Forward«) gerichtet sind.

Weiterlesen
Fragen und Ebenen des formativen Feedbacks
(Brägger & Steiner 2016, visualisiert nach Hattie & Timperley 2007)

Baustein 2

Eine gemeinsame Sprache des Lernens aufbauen

Lernerfolg wird gefördert durch eine gelingende Kommunikation und Kooperation zwischen den beteiligten Personen: den Schüler:innen, Eltern, Betreuungspersonen und den Lehrpersonen im Team. Sie alle können als Bildungspartner:innen zusammenarbeiten und sich darüber austauschen, wie Kinder und Jugendliche auf eigenen Wegen motiviert und erfolgreich lernen können.

Gemeinsam eine positive Sprache des Lernens zu entwickeln, verhilft Schüler:innen zu einem Vokabular, mit dem sie darüber sprechen, wie sie lernen, was beim Lernen passiert und was gute Lerner:innen tun.

Baustein 3

Vielfältige Feedbackinstrumente und -methoden anwenden

Feedback wirkt umso mehr, je besser ich den Zeitpunkt, das Ausmaß, die Form und die Adressaten meines Feedbacks kenne und plane. Es gilt also, die Rahmenbedingungen für lernwirksames Feedback zu gestalten, Methoden zu sichten, kennenzulernen und vielfältige Gelegenheiten beim Schopf zu packen, um sie zu erproben.

  • Was sind meine Ziele? Was möchte ich erfahren oder mitteilen?
  • Welche Feedbackinstrumente sind für welche Lernende und welche Situationen geeignet oder können an diese angepasst werden?
  • Soll die Feedbackmethode zu Beginn, als Begleitung und/oder als Abschluss einer Lernsequenz zum Einsatz gelangen?
  • Feedback soll immer auch Wirkung zeigen. Wie sorge ich für Nachhaltigkeit? Dokumentation?
  • Wie können wir im Team ein gemeinsames Feedbackrepertoire aufbauen?

Feedback als fester Bestandteil der Unterrichtspraxis wird bereits in der Planung zum Thema. Dafür ein breites Repertoire an Feedbackinstrumenten und -methoden zur Verfügung zu wissen, ist zeit- und ressourcenschonend und kann gleichzeitig den Weg für ein schulinternes Feedbackcurriculum ebnen.

Baustein 4

Selbstreflexion und -bewertung fördern

Selbstreflexion und Selbstbeurteilungskompetenz ist eine Schlüsselkompetenz für selbständiges Lernen. Durch die intensive Auseinandersetzung mit eigenen Leistungen und eigenem Lernverhalten wird die Fähigkeit gesteigert, eigenes Lernen zu steuern. Je besser Lernende ihre eigenen Leistungen einschätzen und (wechselseitig) bewerten können, desto mehr wird die Lehrperson von der alleinigen Beurteilungsaufgabe entlastet. »Die eigenen Gedanken der Schüler über Lernen und ihre Leistungen steuern ihr Lernen viel mehr als die Urteile und Bewertungen anderer. (…) Selbstbeurteilung der Schülerinnen und Schüler ist gewissermaßen das Nadelöhr, durch das das Lehrerurteil hindurchmuss, wenn es Auswirkungen auf ihren Lernprozess haben will.« (Sacher 2009, S. 233).

Lehrpersonen können die Selbstreflexion und -bewertung fördern, indem sie als Vorbild für Lernende wirken. Wenn sie im Unterricht selber eine selbstreflexive und feedbackorientierte Praxis pflegen, können Schüler:innen am Modell erfahren, dass kluges Lernen Feedback für selbstwirksames Handeln nutzt.

»Die größten Effekte auf das Lernen treten dann auf, wenn Lehrpersonen in Bezug auf das Lernen selbst zu Lernenden werden und wenn Lernende zu ihren eigenen Lehrpersonen werden. Wenn Lernende ihre eigenen Lehrpersonen werden, dann zeigen sich bei ihnen diejenigen selbstregulierenden Merkmale, die bei Lernenden besonders erwünscht sind (Selbstbeobachtung, Selbstbewertung, Selbsteinschätzung, Selbstunterrichtung).« (Hattie 2013, S. 27).

Die Kombination von Selbstreflexion/ Selbsteinschätzung durch die Lernenden und Rückmeldungen durch die Lehrperson und/ oder Peers ermöglicht entwicklungsgerechte Lerngespräche, nicht nur auf der Basis von Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, sondern auch als Erfolge von entdeckten Stärken und (Lern-)Entwicklungsschritten.

Die Selbstwahrnehmung in Bezug auf Gefühle, die eigene Befindlichkeit und das eigene Handeln ist eine Kernkompetenz der frühen Kindheit und eine unabdingbare Voraussetzung für Selbstreflexion und Selbstbewertung. Selbsteinschätzungskompetenz entsteht unter anderem auch durch konstruktives und lernwirksames Feedback in vielfältigen Situationen.

Aus entwicklungspsychologischer Sicht hängt die Fähigkeit, sich selbst realistisch einzuschätzen, sowohl von der emotionalen als auch der kognitiven Entwicklung ab. Entscheidend dabei ist das individuelle Selbstkonzept, das im Laufe der Schuljahre durch Erfahrungen, aber auch durch Vergleiche mit Gleichaltrigen und Feedback durch Lehrpersonen und Peer immer differenzierter wird.

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Baustein 5

Lerndialog und Peerfeedback ermöglichen

Selbstreflexion und Selbstbeurteilungskompetenz ist eine Schlüsselkompetenz für selbständiges Lernen. Durch die intensive Auseinandersetzung mit eigenen Leistungen und eigenem Lernverhalten wird die Fähigkeit gesteigert, eigenes Lernen zu steuern. Je besser Lernende ihre eigenen Leistungen einschätzen und (wechselseitig) bewerten können, desto mehr wird die Lehrperson von der alleinigen Beurteilungsaufgabe entlastet. »Die eigenen Gedanken der Schüler über Lernen und ihre Leistungen steuern ihr Lernen viel mehr als die Urteile und Bewertungen anderer. (…) Selbstbeurteilung der Schülerinnen und Schüler ist gewissermaßen das Nadelöhr, durch das das Lehrerurteil hindurchmuss, wenn es Auswirkungen auf ihren Lernprozess haben will.« (Sacher 2009, S. 233).

Lehrpersonen können die Selbstreflexion und -bewertung fördern, indem sie als Vorbild für Lernende wirken. Wenn sie im Unterricht selber eine selbstreflexive und feedbackorientierte Praxis pflegen, können Schüler:innen am Modell erfahren, dass kluges Lernen Feedback für selbstwirksames Handeln nutzt.

Sprechen wir übers Lernen: Einsichten und Ergebnisse, die die Schüler:innen aus ihren Selbstreflexionen ziehen, sind thematischer Boden, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Während sich in einem Lerndialog meist Lernende und Lehrperson über das Lernen austauschen, beteiligt ein Lernentwicklungsgespräch auch Eltern/Betreuungspersonen am intensiven Austausch über die Lernentwicklung eines Schülers/einer Schülerin.

Peerfeedback bietet Möglichkeiten für alle Lernenden, sich gegenseitig Rückmeldungen zu bestimmten Aspekten des eigenen Lernens zu geben. Dabei handelt es sich immer um einen Prozess in zwei Richtungen und gleichzeitig auch um Lernschritte, die mit passenden Werkzeugen aufgebaut und immer wieder und in allen Fächern geübt werden müssen.

Peerfeedback entlastet die Lehrperson in einer Weise, die gleichzeitig das selbständige und eigenverantwortliche Lernen der Schüler:innen unterstützt und fördert.

Übers Lernen zu sprechen, …

Lerndialog und Lernentwicklungsgespräch haben einiges gemeinsam. Sie …
  • orientieren sich an den Stärken und Ressourcen der Lernenden.
  • sind Gespräche auf Augenhöhe.
  • haben individuelle Förderung und Lernbegleitung zum Ziel.
  • fokussierean zurückliegende und zukünftige Lernentwicklung.
  • setzen individuelle, inhaltliche Schwerpunkte, evtl. auch gemeinsam.
  • trauen und weisen den Teilnehmenden verschiedene Gesprächsrollen zu: Die Lehrperson ist Lernbegleiter:in, die Lernenden selbst sind ihre eigenen Expertinnen und Experten des Lernens und Eltern/erziehungsberechtigte Personen übernehmen eine unterstützende Rolle.
  • stellen die Lernenden in den Mittelpunkt.

Wer Kinder und Jugendliche zum Nachdenken bringen und konsequent in einen Dialog integrieren will, an ihrer Meinung wirklich interessiert ist, muss sich selbst zurücknehmen können. Erst dann spüren die Schüler:innen als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lernentwicklung, dass echtes Interesse an ihnen und ihrer Einschätzung da ist. Dies wiederum ist die Voraussetzung, dass sie sich trauen, ihre Wahrnehmungen, Vorstellungen, Wünsche und Ziele offen und unverfälscht zu äußern.

… will gelernt sein!

Hierzu gehört neben den Fähigkeiten, sich ausdrücken und zuhören zu können, auch der Aufbau eines Feedbackvokabulars und ein Methodenrepertoire, das nicht durch Fülle, sondern durch Passung, Einfachheit und Nachhaltigkeit besticht. Und auch hier gilt: Wir Menschen lernen in erster Linie durch unsere Vorbilder, wobei der Lehrperson einmal mehr eine zentrale Rolle zukommt: sowohl was Feedbackkompetenz, vor allem aber auch, was Haltung und Denkweise anbelangt. Gerade Rückmeldungen, die entlang von bereits zu Beginn der Lerneinheit (vielleicht sogar gemeinsam) erarbeiteten und verständlichen Kriterien geschehen, können auch von Peers übernommen werden. Voraussetzung: die Kriterien sind klar und werden verstanden. Für ein einzelnes Kriterium verantwortlich zu sein, diese Aufgabe gut und in Ruhe wahrnehmen zu können und dabei gleichzeitig ein Puzzleteil einer umfassenden formativen Rückmeldung zu sein, stärkt nicht nur die Feedbackkompetenz der Lernenden, sondern schafft auch gegenseitiges Vertrauen und Kooperationsbereitschaft.
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Lerndialoge auf Augenhöhe

Lernentwicklungsgespräche fördern den partnerschaftlichen Dialog zwischen Lernenden, Lehrkräften und Eltern. Sie bieten die Chance, sich mit einem Kind oder Jugendlichen über die individuelle Lernentwicklung und das Wohlbefinden in der Schule auszutauschen. Wie gelingen die Gespräche in der Praxis?

Autor/Autorin: Hanne Hardeland

Herkunft: PÄDAGOGIK 5/21, Lizensiert für IQES online © Verlagsgruppe Beltz

Umfang/Länge: 4 Seiten

Fächer: alle Fächer

Stufen: alle Stufen

Dialogischer Unterricht

Einladung zum autonomen und erfolgreichen Handeln

In diesem Fachartikel wird anschaulich beschreiben, wie das Ich-Du-Wir-Prinzip des Dialogischen Lernen in der Praxis aussieht. Es wird gezeigt, wie das Konzept dieser Methode aussieht und welche Instrumente zur Nutzung dieser eingesetzt werden können.

Autor/Autorin: Peter Gallin, Urs Ruf

Herkunft: PÄDAGOGIK 5/15, lizensiert für IQES online © Verlagsgruppe Beltz

Umfang/Länge: 4 Seiten

Fächer: Mathematik

Stufen: alle Stufen

Wie lernen Schüler die Fähigkeit zur konstruktiven Rückmeldung?

Hilfen und Anregungen für ein gutes Miteinander

Wenn Schüler/innen bei der fördernden Bewertung eine aktive Rolle einnehmen sollen, dann sollten sie konstruktive Rückmeldungen lernen können. Auf was sollten Lehrer(innen) bei fördernder Bewertung selbst achten? Wie lernen Schüler/innen die eigenen Fähigkeiten und die der anderen differenziert einzuschätzen? Welche Instrumente können das Lernen konstruktiver Rückmeldungen unterstützen? (Methoden und Instrumente: Checkliste für eine fördernde Bewertung, Beobachtungskarten für ein kriteriengeleitetes Feedback nach einem Referat, Kriterienraster als Grundlage für die Bewertung durch Mitschüler und Lehrer, Beispiel Lerndialog, Reflexions- und Feedbackbogen zur Mitarbeit im Englisch, Dialogisches Tagebuch, Förderplan, Lernplan)

Autor/Autorin: Barbara Sanders-Mowka, Karen Beckmann

Herkunft: PÄDAGOGIK 2/12, lizensiert für IQES online © Verlagsgruppe Beltz

Umfang/Länge: 5 Seiten

Fächer: alle Fächer, Überfachliche Kompetenzen

Stufen: alle Stufen

Baustein 6

Formative Lernkontrollen durchführen und besprechen

Formative Lernkontrollen sind Standortbestimmungen während des Lernprozesses und geben Auskunft über den aktuellen Lern- und Kompetenzstand der Lernenden. Darüber hinaus haben sie auch eine wegweisende Funktion für weitere Lernschritte. Die Ergebnisse von formativen Lernkontrollen sind inhaltliche Basis für alle daran anknüpfenden Gespräche. Diese Gespräche sind unabdingbar, denn alle formativen Bewertungen sind förderorientiert und prozess­begleitend und haben das Ziel, den Lernstand der Schülerinnen und Schüler zu diagnostizieren, um ihr weiteres Lernen wirksam zu unterstützen.

Formative Lernkontrollen brauchen Aufgaben mit hoher Verarbeitungstiefe

Formative Lernkontrollen brauchen Aufgaben, die nicht nur Fakten und Daten abfragen, sondern Inhalte entlang aller Kompetenzstufen ansprechen: vom »Wissen« und »Verstehen«, über das »Anwenden« und »Analysieren« bis zum »Bewerten« und »Entwickeln«. In der begleiteten Auseinandersetzung mit den Anforderungen der gestellten Aufgaben können Lernende Antworten auf folgende Fragen finden:

  • Was habe ich bereits gelernt/ erreicht/ verstanden?
  • Kann ich die Zusammenhänge in eigenen Worten erklären?
  • Kann ich das Gelernte bei einem anderen Problem anwenden?
  • Was fehlt mir noch? Wo brauche ich noch mehr Zeit für die Vertiefung? Wo brauche ich Hilfe?
  • Welches sind die nächsten Schritte in Richtung Ziel?

Diese nächsten Schritte, der daran anknüpfende nächste Teil des individuellen und/ oder kooperativen Lernwegs, sind Voraussetzung für kompetenzorientiertes Lernen, für die Möglichkeit, Fehler machen zu dürfen und aus ihnen zu lernen, bevor der betreffende Lernweg dann in einer abschließenden, summativen Beurteilung ein vorläufiges Ende findet. Hier finden Sie eine vertiefende Einführung sowie zahlreiche hilfreiche Werkzeuge für die Gestaltung von Aufgaben: für Übung, Vertiefung, formative Lernkontrolle und summative Beurteilung