Grundlagen: Open Educational Ressources (OER):
Open Educational Resources (OER) sind Bildungsmaterialien, die unter einer offenen Lizenz veröffentlicht und (unter bestimmten Bedingungen) kostenlos genutzt, bearbeitet und weiterverbreitet werden können. Wie können Sie freie Unterrichtsmaterialien finden, nutzen und sich in der OER-Community mit eigenen Beiträgen beteiligen? Hier finden Sie hilfreiche Informationen, Erklärfilme, Links und Materialien in offener Lizenz.
Jöran Muuß-Merholz, geb. 1976 ist Diplom-Pädagoge mit Schwerpunkt auf Innovationen im Bereich Lernen und Medien. Er ist Gründer der Agentur »J&K – Jöran und Konsorten«, die an den Schnittstellen zwischen Bildung & Lernen und Medien & Kommunikation tätig ist.
Jöran Muuß-Merholz, geb. 1976 ist Diplom-Pädagoge mit Schwerpunkt auf Innovationen im Bereich Lernen und Medien. Er ist Gründer der Agentur »J&K – Jöran und Konsorten«, die an den Schnittstellen zwischen Bildung & Lernen und Medien & Kommunikation tätig ist.
Sonja Borski, geb. 1970, ist Politikwissenschaftlerin und Erwachsenenbildnerin. Sie arbeitet bei J&K, Jöran und Konsorten unter anderem zum Thema Open Educational Resources, gibt Workshops und schreibt Texte.
Sonja Borski, geb. 1970, ist Politikwissenschaftlerin und Erwachsenenbildnerin. Sie arbeitet bei J&K, Jöran und Konsorten unter anderem zum Thema Open Educational Resources, gibt Workshops und schreibt Texte.
Nele Hirsch, geb. 1980, arbeitet freiberuflich in dem von ihr gegründeten eBildungslabor, einer Initiative zur Unterstützung zeitgemäßer Bildung in Schule, Hochschule, Erwachsenenbildung und Zivilgesellschaft.
Nele Hirsch, geb. 1980, arbeitet freiberuflich in dem von ihr gegründeten eBildungslabor, einer Initiative zur Unterstützung zeitgemäßer Bildung in Schule, Hochschule, Erwachsenenbildung und Zivilgesellschaft.
Einleitung
Wozu braucht wer Open Educational Resources (OER)?
Open Educational Resources (OER) sind frei lizenzierte Bildungsmaterialien. Sie können von unterschiedlichen Akteuren erstellt werden. Häufig sind dies Lehrpersonen in den verschiedenen Bildungsbereichen, aber auch Stiftungen, Firmen, Organisationen und nicht zuletzt auch Lernende können OER veröffentlichen. Es gibt verschiedene Motivationen für Menschen und Organisationen, Inhalte unter freier Lizenz zu veröffentlichen. Die Motive sind dabei so unterschiedlich wie die Akteure:
- Einen Inhalt weit und einfach zu verbreiten und die urheberrechtlichen Hürden möglichst niedrig zu halten
- Einen Inhalt zur Weiterentwicklung und Verbesserung durch Dritte bereit stellen (wie dies z.B. in der Wikipedia Anwendung findet)
- Einen Inhalt nutzen, um den eigenen Namen bekannter zu machen und die Reputation zu steigern
- Einen von öffentlichen Geldern finanzierten Inhalt der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen
- Einen Inhalt als Baumaterial für weitere Ideen zu verbreiten
Auch im schulischen Kontext sind diese Motive anschlussfähig und zeigen Anknüpfungspunkte auf drei Ebenen: Lernen mit OER; Unterrichten und Kooperieren von Lehrpersonen.
Lernen mit OER
Das Idealbild: Lernen ist ein individueller und sozialer Prozess, in dem die Lernenden Wissen mittels Konstruktion und Aneignung entwickeln. Dieser Prozess vollzieht sich in aktiver Auseinandersetzung mit einem Inhalt. Dafür müssen die Materialien, mit denen gelernt wird, größtmögliche Freiheit für dieses individuelle Sich-Aneignen bieten. Lernende müssen Materialien bearbeiten, verändern, neu anordnen, mit anderen Inhalten kombinieren («remixen») können. Das Gegenbild von lernförderlichen Materialien sind «unveränderbare» Materialien, die gar nicht oder nur in einem eng vorgegebenen Rahmen bearbeitet werden können. Unveränderliche Materialien verdammen den Lernenden zu Passivität. Ein modernes Verständnis von Lernen geht davon aus, dass Lernen sich als Prozess von Zusammenarbeit und Austausch mit anderen Lernenden und der Umwelt vollzieht, zum Beispiel Texte, Bilder, Aufgaben, Töne oder andere Materialien, die gemeinsam bearbeitet werden können, weil mit ihnen das Verständnis quasi aus den Köpfen heraus in eine externe Form gebracht und gestaltet werden kann.
Unterrichten mit OER
Kompetenzorientierter Unterricht stellt personalisiertes Lernen in den Mittelpunkt. Eine entsprechende Binnendifferenzierung des Unterrichts braucht unvermeidbar eine Verschiebung der Lernmedien. Lehrer als die «Träger» von Wissen rücken in den Hintergrund, während Lernmaterialien wichtiger werden. Damit wird die Lehrperson selbst nicht weniger wichtig. Ihre Rolle verschiebt sich insofern, dass sie über differenzierte Methoden und differenzierte Materialien verschiedene Zugänge anbietet. Vor diesem Hintergrund ist modernes Unterrichten wesentlich von der Vorbereitung von Lernmaterialien geprägt, die Lernenden unterschiedliche Zugänge erlauben und unterschiedliche Stile, Niveaus, Geschwindigkeiten und Rahmenbedingungen berücksichtigen.
Kooperieren mit OER
Es soll Berufe geben, in denen Teamarbeit schon weiter verbreitet ist als unter Lehrenden. Aber auch in Schulen ist der Trend klar: Zusammenarbeit in Lehrerteams (und darüber hinaus) ist ein wichtiges Element von Schulentwicklung und Qualitätsmerkmal von guter Schule Schule (–> Kapitel 6 in diesem Band). In vielen Schulen gibt es solche Teamarbeit schon. Ein zentraler Bestandteil ist die arbeitsteilige Entwicklung von Materialien, die für den oben beschriebenen Unterricht notwendig sind. Die Arbeit wird dabei im doppelten Sinne geteilt: Nicht jedes Teammitglied muss alles machen, aber alle können auf das gemeinsam erarbeitete Material zugreifen. Eine besondere Stärke zeigt die Arbeitsteilung darüber hinaus, wenn es um fächerübergreifendes Lernen geht. Und auch hier ist es eine selbstverständliche Grundlage für gutes Material und gute Teamarbeit, dass eine Lehrerin die Materialien verändern kann, die ein Kollege erstellt hat.
Was sind Open Educational Resources (OER)?
Die Grundidee von Open Educational Resources (OER) beruht auf einem urheberrechtlichen Kniff, einer sogenannten freien oder offenen[1] Lizenz.
Während traditionell der Grundsatz «all rights reserved», also «alle Rechte vorbehalten» gilt, orientieren sich freie Lizenzen an der Idee «some rights reserved», also «einige Rechte vorbehalten». Wenn ein Material mit einer offenen Lizenz ausgestattet ist, dann gilt nicht mehr: «Vor jeder Nutzung muss der Urheber gefragt werden», sondern: «Jedermann darf das Material in bestimmter Weise nutzen, ohne fragen zu müssen, solange er/sie sich an bestimmte Auflagen hält.»
Auf diese recht einfache rechtliche Überlegung bauen im Bereich Open Educational Resources komplexere Überlegungen zu pädagogischen, organisatorischen, technischen und ökonomischen Fragen auf. Aber im Kern geht es um die Lizenz, die die notwendige Offenheit erlaubt.
Für die Offenheit von Materialien lassen sich fünf Freiheiten definieren.[2] Wenn ein Werk offen lizenziert ist, werden allen Nutzern kostenfrei und auf Dauer die folgenden Rechte eingeräumt:
- Verwahren/Vervielfältigen – das Recht, Kopien des Inhalts anzufertigen, zu besitzen und zu kontrollieren (zum Beispiel Download, Speicherung und Vervielfältigung)
- Verwenden – das Recht, den Inhalt in unterschiedlichen Zusammenhängen einzusetzen (z. B. im Klassenraum, in einer Lerngruppe, auf einer Website, in einem Video)
- Verarbeiten – das Recht, den Inhalt zu bearbeiten, anzupassen, zu verändern oder umzugestalten (z. B. einen Inhalt in eine andere Sprache zu übersetzen)
- Vermischen – das Recht, einen Inhalt im Original oder in einer Bearbeitung mit anderen offenen Inhalten zu verbinden und aus ihnen etwas Neues zu schaffen (z. B. beim Einbauen von Bildern und Musik in ein Video)
- Verbreiten – das Recht, Kopien eines Inhalts mit anderen zu teilen, im Original oder in eigenen Überarbeitungen (z. B. einem Freund eine Kopie zu geben oder online zu veröffentlichen)
Viele der hier aufgezählten Nutzungsweisen sind uns aus dem Alltag vertraut. Vielleicht wird man manche der Freiheiten sogar als Selbstverständlichkeit sehen. Dass das nicht so ist, zeigt die folgende Gegenüberstellung. Dabei wird jede Freiheit mit zwei Beispielen illustriert. Das linke Beispiel kommt aus der Welt der offenen Materialien, in Form eines Materials unter offener Lizenz von der Plattform zum.de (Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V.). Für das rechte Beispiel kann man sich ein Material vorstellen, das man über die Plattform bildungslogin.de (früher: digitale-schulbuecher.de) ohne freie Lizenz bekommt.
Bereich | Offene Materialien | Geschlossene Materialien |
---|---|---|
Beispiel | OER von zum.de[3] | bildungslogin.de[4] |
Verwahren / Vervielfältigen | Ich kann das Material herunterladen und auf meiner Festplatte abspeichern. Ich kann es an beliebig vielen Orten speichern, bei mir, bei anderen, auf einem Schulserver, in der Dropbox, im öffentlichen Internet. Für immer. | Ich kann das Material nur auf der gegebenen Plattform nutzen. Diese Plattform funktioniert nur mit bestimmten Computersystemen. Wenn mein Abonnement/meine Lizenz endet, kann ich nicht mehr auf das Material zugreifen. |
Verwenden | Ich kann das Material für beliebige Zwecke einsetzen. Ich darf es im privaten Kreis, im Unterricht, bei der Nachhilfe, auf einer öffentlichen Veranstaltung oder auch im Web einsetzen. | Ich darf das Material nur in einem abgegrenzten Bereich und für einen abgegrenzten Zweck einsetzen, typischerweise nur im Schulunterricht bzw. nur in einer bestimmten Klasse. |
Verarbeiten | Ich kann das Material verändern. Ich darf es zum Beispiel kürzen und ergänzen, digitalisieren und ausdrucken, in eine andere Sprache übersetzen oder anderweitig bearbeiten. | Ich kann das Material gar nicht verändern bzw. ich darf Veränderungen nur für mich privat vornehmen. |
Vermischen | Ich kann das Material mit anderen Materialien vermischen, zum Beispiel durch eine Collage oder einen Remix. | Ich kann und darf das Material nur in der vorliegenden Form nutzen. |
Verbreiten | Ich kann das Material weitergeben – auch wenn es verändert und/oder vermischt wurde. Ich darf es z. B. im Kollegium teilen und auf einer Website oder in einem Buch veröffentlichen. | Ich kann und darf das Material nicht weitergeben. |
Freie Lizenzen als Rückgrat von offenen und freien Inhalten
Auch freie Lizenzen und OER können nicht alle rechtlichen Widersprüche und Komplikationen aus der Welt schaffen. Freie Lizenzen sind nur eine Krücke, um das Vorankommen im widrigen Feld des Urheberrechts ein Stück weit zu erleichtern. Aber solange das Feld so widrig zu beschreiten ist, braucht es Krücken.[5]
Was ist die rechtliche Grundlage?
Um freie Lizenzen zu verstehen, muss man zunächst die Grundlagen des Urheberrechts kennenlernen. Dieses Recht kann ein Werk bzw. der Urheber des Werks beanspruchen, um dieses geistige Eigentum zu schützen. Das Urheberrecht gilt «automatisch», also ohne dass der Urheber dafür etwas tun muss, außer natürlich sein Werk zu erschaffen. Die kreative Leistung, die der Urheber an den Tag legen muss, muss eine sogenannte Schöpfungshöhe erreichen. Diese Grenze ist allerdings relativ schnell erreicht. In der Rechtsprechung finden sich zahlreiche Urteile, dass schon kurze Texte, so gut wie jedes Foto oder kurze Tonfolgen in der Musik entsprechenden Schutz beanspruchen können.
Der Grundsatz im Urheberrecht lautet: «Alle Rechte vorbehalten!» Das bedeutet, dass alle – außer dem Urheber – eine besondere Erlaubnis benötigen, wenn sie das Werk des Urhebers nutzen wollen.
Was ist ein Werk und was nicht?
Ein Werk ist im urheberrechtlichen Sinn das Ergebnis einer kreativen Schöpfung, etwa ein Foto, ein Musikstück oder auch nur eine bestimmte Tonfolge, ein Buch, ein Arbeitsblatt, ein Interview, ein Logo, ein Schaubild, eine Fernsehsendung (im Sinne von: die konkrete Aufnahme einer Sendung), ein YouTube-Video oder ein Urlaubsvideo.
Wichtig ist, dass das Werk in einer bestimmten Form dargestellt wird. Das bedeutet: Eine Idee oder ein Konzept sind nicht geschützt (vgl. Weizmann, 2014). «Die hinter einem Unterrichtsmodul stehende didaktische Konzeption, etwa wie ein Modul gegliedert ist, welche Aspekte als Lehrstoff ausgewählt werden – das ist generell keine rechtlich geschützte Leistung. Allenfalls die Aufzeichnungen, Pläne und Arbeitsblätter zum Unterrichtsmodul unterliegen dem Urheberrecht.»[6] (S.7).
Was ist eine Lizenz?
Der Rechtsanwalt Till Kreutzer erklärt: «Eine Lizenz ist eine Nutzungserlaubnis für Handlungen, die ohne Zustimmung nicht erlaubt wären. […] Die Lizenz ist eine rechtlich gültige Vereinbarung, die die Verwendung eines bestimmten Werkes regelt. Verwendungen, die nicht von der Lizenz abgedeckt sind oder die gegen die Lizenzpflichten verstoßen, sind widerrechtliche Handlungen, die rechtliche Folgen nach sich ziehen können.»[7] (Kreutzer 2016, S. 19).
Das Verhältnis zwischen Lizenzgeber/in und Lizenznehmer/in ist durch ihren Bezug auf ein bestimmtes Werk bestimmt. Nur diejenige Person kann für ein Werk Lizenzgeber/in sein, also Nutzungsrechte gewähren, die die entsprechenden Rechte am Werk hat. Das ist in Deutschland standardmäßig erst einmal der Urheber. Die Lizenznehmer/in ist die Person, die diese Lizenz in Bezug auf dieses Werk in Anspruch nimmt.
Freie Lizenzen sind «Jedermannlizenzen», auf Englisch «Public Licence». Die Bezeichnung bezieht sich darauf, dass die von der Lizenzgeberin erteilten Rechte für jede Person gelten, die das Werk nutzen möchte. In diesem Fall braucht es dann keine individuellen Nutzungsabsprachen. Solche Jedermann- bzw. Jederfrau-Lizenzen existieren in verschiedenen Formen. Sie unterscheiden sich danach, welche Rechte sie einräumen und welche Auflagen sie verlangen. Auf Basis dieser Lizenz gilt dann nicht mehr «Alle Rechte vorbehalten!», sondern «Einige Rechte vorbehalten!».
Was ist eine freie Lizenz?
Wenn eine Jedermannlizenz jeder Person erlaubt, ein Werk zeitlich und räumlich unbeschränkt zu nutzen (z. B. zu kopieren, zu verteilen, ins Internet zu stellen etc.), dann spricht man von einer «freien Lizenz» oder «offenen Lizenz» «Open-Content-Lizenz».
Bedeutet «freie Lizenz» das gleiche wie «lizenzfrei»?
«Freie Lizenz» klingt sehr ähnlich wie «lizenzfrei». Ist das also etwas Ähnliches oder sogar dasselbe? Das wäre wohl das größte Missverständnis, dem man bei der Nutzung freier Lizenzen aufsitzen könnte. Daher in Großbuchstaben:
MATERIALIEN UNTER FREIER LIZENZ SIND KEINESFALLS LIZENZFREIE MATERIALIEN
Ein Material, dass ich «lizenzfrei» verwenden kann, darf ich ohne jede Auflage nutzen. Im Gegensatz dazu sind «freie Lizenzen» an bestimmte Auflagen gebunden. «Freie Lizenzen» bedeuten «Keine Rechte vorbehalten», sondern «Einige Rechte vorbehalten». Im Deutschen hat sich «lizenzfrei» als missverständlicher Begriff eingebürgert. Er wird als Übersetzung von «royalty free» genutzt. Damit werden Lizenzmodelle bezeichnet, bei denen der Nutzer für die Nutzung eines Werkes einmalig eine Nutzungsgebühr bezahlt und danach das Werk in beliebigem Umfang nutzen kann. Es ist das Gegenstück zu Modellen, bei denen man pro Nutzung bezahlt oder die Nutzung auf einen bestimmten Umfang begrenzt ist. «Royalty free» ist also ein Modell, das mit «lizenzfrei» völlig falsch übersetzt ist. Korrekt müsste es «lizenzkostenfrei» heißen.
Wer macht die freien Lizenzen?
Freie Lizenzen stammen ursprünglich aus dem Bereich Software. Sie bauen auf das vorhandene Urheberrecht auf, sind also nicht etwa ein «alternatives Recht» oder ähnliches. Insofern kann jeder eine Lizenz «erfinden» und anwenden, die dann wirksam wird, wenn sich mindestens zwei Beteiligte darauf verständigen und sie nicht gegen bestehendes Recht verstoßen. Heute gibt es Hunderte von solchen Lizenzmodellen, die auf bestimmte Medienformen oder bestimmte Verwendungskontexte zugeschnitten sind. Die Lizenzen unterscheiden sich vor allem danach, welche Erlaubnisse gegeben und welche Auflagen gefordert werden.
Warum die Lizenzen von Creative Commons?
Im Bildungsbereich werden meist die Lizenzen von Creative Commons – lang: Creative Commons Public Licenses (CCPL), kurz: CC-Lizenzen – genutzt. Die CC-Lizenzen haben in diesem Bereich mit großem Vorsprung die größte Verbreitung . CC-Lizenzen gelten als rechtssicher. Da die CC-Lizenzen schon länger und weit verbreitet sind, existieren in diesem Feld schon entsprechend viel Expertise und Rechtsprechung. Die CC-Lizenzen sind also eine solide Grundlage (soweit man das im juristischen Umfeld sagen kann).[8] Gerade in Bezug auf OER können die CC-Lizenzen als De-facto-Standard gelten.
[1] Die Begriffe «freie Lizenzen» und «offene Lizenzen» werden in diesem Text synonym verwendet.
[2] Die fünf Freiheiten wurden von David Wiley als die «5 Rs» definiert (http://www.opencontent.org/definition/). Jöran Muuß-Merholz hat sie als «5 Vs» ins Deutsche übertragen (http://open-educational-resources.de/5rs-auf-deutsch/). Die Auflistung ist wörtlich von dort übernommen.
[3] Auf der Website von zum.de ( «ZUM.de – die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V.») finden sich Materialien unter verschiedenen Lizenzen. Nehmen wir hier als Beispiel ein Arbeitsblatt unter der Lizenz CC BY 4.0.
[4] bildungslogin.de ist der Nachfolger der Plattform digitale-schulbuecher.de, die zum Ende des Schuljahres 2016/17 nach vier Jahren eingestellt wurde. Die Plattform wird vom Verband Bildungsmedien e.V. betrieben. Der Verband vertritt die Interessen jener Unternehmen, die Medien und Lernlösungen für das Bildungswesen produzieren. Die einzelnen Angebote auf der Plattform unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Möglichkeiten, so dass die folgenden Punkte für ein Beispiel, aber nicht für alle Materialien gelten.
[5] Häufig sind es gerade diejenigen, die sich mit freien Lizenzen gut auskennen, die parallel die politische Forderung nach einer Reform des Urheberrechts erheben. In Deutschland gibt es zum Beispiel die Initiative «Recht auf Remix» (rechtaufremix.org), auf europäischer Ebene die Kampagnen «Change Copyright» (changecopyright.org/de) oder «Right Copyright» (rightcopyright.eu/?lang=de).
[6] John H. Weitzmann (2014): Offene Bildungsressourcen (OER) in der Praxis. Text unter CC BY 4.0.
[7] Dr. Till Kreutzer (2016): Open Content – Ein Praxisleitfaden zur Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen. S. 19, Text unter CC BY 4.0.
[8] Generell gilt: Dieser Text kann und will keine Rechtsberatung sein, sondern eine Einführung bieten und bei den ersten Schritten zur Nutzung von freien Lizenzen begleiten. Hintergründe zu freien Lizenzen im Allgemeinen und Creative-Commons-Lizenzen im Besonderen finden sich in dem folgenden Leitfaden, der kostenlos (und unter freier Lizenz) erhältlich ist: Till Kreutzer: Open Content – Ein Praxisleitfaden zur Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen. Hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, dem Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz) und Wikimedia Deutschland. 2. Aufl. 2016. Bonn: Deutsche UNESCO-Kommission. https://www.unesco.de/infothek/publikationen/publikationsverzeichnis/open-content-leitfaden.html
Ein kleines Einmaleins zu Creative Commons
Es gibt nicht eine Creative-Commons-Lizenz, sondern sechs verschiedene Lizenzen. Sie unterscheiden sich danach, welche Auflagen sie machen, also welche Lizenzmodule (s. u.) sie enthalten. Die Lizenzmodule lassen sich auf unterschiedliche Weise kombinieren, was in der untenstehenden Tabelle erläutert wird.
Die folgende Tabelle gibt zunächst einen Überblick über die vier Module, die die Grundbausteine der Lizenzen darstellen und ihre Bedeutung, inklusive Symbole und Abkürzungen.
Symbol / Kürzel | Name (englisch / deutsch) | Bedeutung |
---|---|---|
BY | Attribution / Namensnennung | Sie müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen. |
NC | Non Commercial / nicht-kommerziell | Sie dürfen das Material nicht für kommerzielle Zwecke nutzen. |
ND | No Derivatives / keine Veränderungen | Wenn Sie das Material remixen, verändern oder darauf anderweitig direkt aufbauen, dürfen Sie die bearbeitete Fassung des Materials nicht verbreiten. |
SA | Share Alike / unter gleichen Bedingungen teilen | Wenn Sie das Material remixen, verändern oder anderweitig direkt darauf aufbauen, dürfen Sie Ihre Beiträge nur unter derselben Lizenz wie das Original verbreiten. |
Damit gibt es sechs verschiedene Kombinationen von Lizenzen, deren Bedeutung in der folgenden Übersicht noch einmal aufgeschlüsselt ist:
Lizenz | Beschreibung |
---|---|
CC BY | Diese Lizenz erlaubt Dritten, ein Werk zu verbreiten, zu remixen, zu verändern und darauf aufzubauen, auch kommerziell, solange angemessene Urheber- und Rechteangaben gemacht werden. |
CC BY-SA | Diese Lizenz erlaubt es Dritten, ein Werk zu verbreiten, zu remixen, zu verändern und darauf aufzubauen, auch kommerziell, solange angemessene Urheber- und Rechteangaben gemacht werden und die neuen Werke unter denselben Bedingungen veröffentlicht werden. |
CC BY-ND | Diese Lizenz erlaubt Dritten, die Weiterverbreitung des Werkes, kommerziell wie nicht-kommerziell, solange dies ohne Veränderung und vollständig geschieht und angemessene Urheber- und Rechteangaben gemacht werden. |
CC BY-NC | wie CC BY, zusätzlich mit der Einschränkung «nicht für kommerzielle Zwecke» |
CC BY-NC-SA | wie CC BY-SA, zusätzlich mit der Einschränkung «nicht für kommerzielle Zwecke» |
CC BY-NC-ND | wie CC BY-ND, zusätzlich mit der Einschränkung «nicht für kommerzielle Zwecke» |
Als OER-Lizenzen im engeren Sinne gelten CC BY und CC BY SA. Denn das ND-Modul verhindert eine ja gerade erwünschte Offenheit in der Bearbeitung des Bildungsmaterials. Das NC-Modul schließt viele Bildungsakteure aus.
CC-Lizenzen verstehen
Im Alltag werden CC-Lizenzen in unterschiedlicher Weise präsentiert. Nachfolgend einige Hinweise zum Gebrauch der Lizenzen:
- Ein und dieselbe Lizenz kann unterschiedliche Darstellungsformenen haben. Die Formulierung kann unterschiedlich ausführlich sein und es können grafische Elemente enthalten sein oder nur Text. Die Lizenz ist aber trotz unterschiedlicher Darstellung immer die gleiche; die Bestimmungen ändern sich nicht.
- Für die Lizenzen gibt es verschiedene Versionen. Derzeit (und auf absehbare Zeit) ist die Version 4.0 die aktuelle Fassung[9]. Jede Version baut auf ihrem Vorgänger auf, wobei der Kern erhalten bleibt. Die Änderungen bestehen in Anpassungen an die bisherigen Erfahrungen und aus juristischen Präzisierungen. Die alten Versionen sind weiterhin gültig. Urheber können auch heute noch eine ältere Version bei der Freigabe neuer Materialien wählen. Es gibt kein »automatisches Update«. Wenn jemand ein Material unter einer Lizenz in der Version 3.0 freigegeben hat, so bleibt diese Lizenz in genau dieser Version auf unbegrenzte Zeit gültig, auch nach Entwicklung von neuen Versionen. Die Lizenzversionen sind rückwärts kompatibel[10]
- Die CC-Lizenzen sind für unterschiedliche Länder und (Rechts-)Kulturen übersetzt und angepasst. Diese verschiedenen Fassungen nennen sich Portierungen[11]. Sie werden durch ein Länderkürzel gekennzeichnet. Ein Beispiel: CC BY 2.0 DE steht für die Lizenz Namensnennung, Version 2.0, Deutsche Fassung.
- Die Lizenzinformationen sind in drei Varianten formuliert. Sie werden Schichten oder Ebenen der Lizenz genannt:
- Die allgemeinverständliche Kurzfassung (deed), die sich an Laien richtet,
- das »Kleingedruckte«, nämlichen der vollständigen Lizenzvertrag, der alle juristischen Feinheiten beschreibt,
- einen maschinenlesbaren Code, der im Internet insbesondere für die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen wichtig ist.
Die volle Offenheit ohne Auflagen
Neben den verschiedenen CC-Lizenzen, die oben aufgeführt wurden, gibt es noch ein besonderes Modell, nämlich die sogenannte «CC0», auf Englisch «CC Zero» ausgesprochen. Wenn ein Urheber sein Werk mit einer CC0-Markierung versieht, so erklärt er damit den Verzicht auf seine Ansprüche.Wenn man es genau nimmt, dann handelt es sich bei CC0 um eine Verzichtserklärung, nicht um eine Lizenz. Ein Material unter CC0 wurde von seinem Urheber in die Gemeinfreiheit (Public Domain) entlassen. Es kann von jedermann ohne eine der oben genannten Auflagen genutzt werden.
Bisweilen kursiert die Meinung, eine CC0-Erklärung sei in Deutschland rechtlich nicht zulässig, da ein vollständiger Rechteverzicht durch den Urheber nicht möglich ist. Um entsprechenden Problemen vorzubeugen, hat Creative Commons CC0 als dreistufiges Instrument angelegt. Stufe 1 ist die erwähnte
Verzichtserklärung. Ersatzweise gewährt der Urheber quasi eine Lizenz ohne Einschränkung oder Verpflichtung (Stufe 2). Als «Backup» gibt es noch eine dritte Option (Stufe 3), nämlich einen «Nichtangriffspakt», ein rechtsverbindliches Versprechen durch den Rechteinhaber, seine Rechte selbst dann nicht durchzusetzen, wenn Option 1 und 2 sich als ungültig herausstellen sollten.
Keine Garantie in Sachen Urheberrecht!
Im Urheberrecht gibt es keinen gutgläubigen Erwerb. Ein fiktives Beispiel: Frau A. lädt im Internet auf einer Website ein Bild herunter und veröffentlicht es, indem sie es auf die Einladung zum Schulfest druckt. Auf der Website war das Bild von Herrn B. bereitgestellt worden, wobei Herr B. eine freie Lizenz zu dem Bild erteilt hat. Nun stellt sich aber im Nachhinein heraus, dass Herr B. gar nicht der Urheber des Bildes war, sondern Herr C. Zufälligerweise fällt Herrn C. die Einladung zum Schulfest mit seinem Bild darauf in die Hände. Er beschwert sich entsprechend bei Frau A.
In diesem Fall kann Frau A. nicht geltend machen, dass sie ja annehmen konnte, dass das Foto von Herrn B. stammte, der es unter freier Lizenz freigegeben hat. Trotz bester Absichten hat sie eine Urheberrechtsverletzung begangen – und muss im schlimmsten Falle sogar Schadensersatz zahlen. Im Urheberrecht liegt das Risiko standardmäßig beim Nutzer – das ist mit und ohne freie Lizenzen so. Es bleibt also auch bei freien Lizenzen sinnvoll, dass man Quellen im Zweifelsfall genau prüft.
Wie kann man sich schützen?
Auch in Sachen Urheberrecht muss man wissen: Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit. Das gilt schon ohne freie Lizenzen und das ist auch gegeben, wenn ich mich bei der Nutzung eines Inhalts auf eine entsprechende Lizenz verlasse.
Übrigens ist die Haftungsfrage bei Urheberrechtsverstößen von Lehrpersonen nicht bis zum Ende geklärt. Es gibt sowohl Fälle, in denen Lehrer persönlich für ihr Verschulden haftbar gemacht wurden, als auch solche, in denen die Haftung vom Arbeitgeber übernommen wurde. Hier gilt der Lieblingssatz von Juristen: «Es kommt auf den Einzelfall an.»
[9] Die CC-Lizenzen sind von der ersten Fassung 1.0 in 2002 bis zur heute aktuellen Fassung 4.0 mehrmals aktualisiert worden, so dass verschiedene Versionen existieren.
[10] Creative Commons bietet auf https://wiki.creativecommons.org/wiki/License_Versions einen (sehr) ausführlichen Vergleich der Lizenzversionen an, allerdings nur auf Englisch.
[11] Das Ziel von Portierungen war es, dass die Lizenzen an die jeweiligen Rechtsordnungen angepasst und damit auch rechtlich durchsetzbar sind. Derzeit existieren Portierungen in ca. 60 Länder. Außerdem gibt es internationale Lizenzfassungen, die auf internationalen Abkommen und Regelungen in Sachen Urheberrecht basieren. Sie werden generisch oder unportiert/unported genannt. Gleichzeitig sollten unterschiedliche Portierungen und generische Fassungen untereinander kompatibel bleiben. Für die neueste Lizenzversion 4.0 sind keine portierten Fassungen mehr vorgesehen. Creative Commons rät dazu, die internationale (nicht portierte) Fassung zu nutzen. Auch für die Versionen 4.0 existiert eine offizielle deutsche Übersetzung, bei der es sich aber um eine reine Übersetzung, keine rechtlich angepasste Fassung handelt.
OER suchen und finden
Wie man mit einem kleinen Trick viel mehr Bilder und Töne findet
Zwar werden Suchmaschinen immer intelligenter, und einige von ihnen verstehen bereits verschiedene Sprachen. Aber meistens suchen sie noch nur schlicht nach dem Wort, das wir eintippen. Das ist eine Einschränkung, die bei der Suche nach Bildern und Tönen leicht überwunden werden kann. Dafür gibt man einfach auch die Übersetzung des Suchbegriffs in anderen Sprachen an. Da mehr als die Hälfte der Inhalte im Web englischsprachig ist, hilft häufig schon die Suche nach englischen Begriffen.
Mit Google nach freien Inhalten suchen
Google bietet die Möglichkeit, in den Suchergebnissen spezielle Webseiten oder Bilder anzuzeigen, die Inhalte unter freier Lizenz anbieten. Die Funktion ist etwas versteckt. Man findet sie am besten über die Funktionen «Erweiterte Suche», die es sowohl in der allgemeinen Suche wie auch in der Bildersuche gibt. Die direkten Links dorthin lauten (Stand Frühjahr 2020):
- www.google.de/advanced_image_search für Bilder
- www.google.de/advanced_search für Webseiten
Dort kann man am Beginn der Seite die eigenen Suchbegriffe eingeben. Ergänzend findet man am unteren Ende der Seite eine Filtermöglichkeit «Nutzungsrechte». Dort lässt sich auswählen, ob man die Suchergebnisse auf Seiten/Bilder einschränken will, die …
- frei zu nutzen und weiterzugeben sind (ohne Erlaubnis zur Veränderung).
- frei zu nutzen, weiterzugeben und auch zu verändern sind.
Beide Optionen lassen sich mit dem Zusatz «auch für kommerzielle Zwecke» kombinieren.
Die Creative Commons Suchmaschine
Hilfreich für die Suche nach Bildern (und geplant auch für weitere Medienformate) ist die Suchmaschine von Creative Commons. Via ccsearch.creativecommons.org lassen sich mit dieser gesammelt mehrere Datenbanken mit CC-lizenzierten Materialien durchsuchen. Auch hier gilt, dass englische Begriffe deutlich mehr Suchergebnisse liefern als deutsche. Gefiltert werden kann nach Datenbank oder Lizenz. Besonders hilfreich ist die Suchmaschine, weil für die dargestellten Bilder direkt ein Lizenzhinweis mitgeliefert wird.
Das OERhörnchen
Das OERhörnchen ermöglicht die Suche in OER-Projekten im deutschsprachigen Raum. Auf oerhoernchen.de kann dazu ein beliebiger Suchbegriff eingegeben werden. Anschließend erfolgt eine Google-Suche nach diesem Schlagwort auf mehreren OER-Datenbanken. Gerade für Einsteigerinnen und Einsteiger kann das Projekt hilfreich sein. Denn auf diese Weise wird angesichts der Vielfalt von OER-Projekten eine erste Orientierung ermöglicht.
Wikipedia und die Schwesternprojekte
Wer von Open Educational Resources (OER) spricht, kommt um die bekannteste OER-Quelle nicht herum: Wikipedia. Auch sie basiert auf freien Lizenzen, die die Verwendung, Veränderung und Verbreitung aller Inhalte ermöglichen. Wikipedia ist nur das bekannteste von vielen Projekten, die von der Wikimedia Foundation betrieben werden – viele davon nicht nur auf Deutsch, sondern in insgesamt ca. 300 Sprachen. Die Multimedia-Dateien für Wikipedia & Co., allen voran derzeit fast 40 Millionen Bilder, werden auf der Plattform Wikimedia Commons organisiert. Auch alle Materialien bei Wikimedia Commons sind unter freier Lizenz verfügbar.
Zukunftsaussichten für die OER-Suche
Die Auffindbarkeit von OER ist in der OER-Community ein zentrales Thema, denn nur Material, das gut auffindbar ist, lässt sich auch gut weiterverwenden. Grundsätzlich lassen sich hier unterschiedliche Szenarien denken. Es wäre denkbar, dass es durch entsprechende öffentliche Fördermittel zu einem Ausbau der Suchmaschine Elixier kommt. Elixier ist die Suchmaschine für Bildungsmedien des deutschen Bildungsservers. Am anderen Ende des Spektrums lassen sich aber auch oft ehrenamtliche aus der Grasswurzelbewegung stammende Bemühungen um die Auffindbarkeit von OER beobachten. Während des Schreibens dieses Artikels befindet sich beispielsweise ein erweitertes Suchtool im Entwicklungsstadium, das auch eine personalisierte OER-Suche, ermöglichen soll. [12]
OER einsetzen und weiterverarbeiten
Im vorherigen Abschnitt ist bereits deutlich geworden, dass die sich die Suche nach frei lizenzierten Materialien auf die erweiterte Suchfunktionen von Suchmaschinen stützen kann. Es gibt auch ohne OER-Kennzeichnung ein relativ verlässliches Erkennungszeichen: die freie Lizenz, die für OER unabdingbar ist.
Wie in oben gezeigt, finden sich unterschiedliche Darstellungsformen der Lizenz, entweder nur als Text oder über Piktogramme.
Wer OER einsetzen möchte, kann dies gemäß den Auflagen der jeweiligen Lizenz tun, ohne Rücksprache mit dem Urheber halten zu müssen. Es ist sinnvoll, sich ein Vorgehen für den Quellennachweis zu überlegen – denn meist bleibt es nicht bei dem Wunsch, OER lediglich unverändert zu nutzen. Gerade die Anpassbarkeit lädt dazu ein, selbst kreativ zu werden. Was es bei der Nachnutzung und Veröffentlichung von veränderten Materialien zu beachten gilt, wird unten beschrieben.
Je strukturierter das eigene System ist, in dem man sich Materialien ablegt, desto einfacher lässt sich OER integrieren. Bei einem Material unter freier Lizenz sollte man später einfach rekonstruieren können, woher das Material stammt, unter welcher Lizenz es steht und wer der Urheber ist. Wer bisher kein eigenes System zur Materialverwaltung nutzt oder freie Materialien für ein spezifisches Projekt sammelt, kann dafür eine einfache Tabelle nutzen.
Wenn man diese Angaben schon bei einer Recherche komplett ausfüllt, so kann man die notwendigen Angaben für einen Lizenzhinweis später einfach per Copy & Paste übernehmen.
Wer darauf vertraut, dass ein Fundstück im Web auch später noch da sein wird, wenn man es braucht, braucht nicht das Fundstück selbst abzuspeichern, sondern sich nur merken, wo was liegt. Dafür sind Bookmarking-Dienste wie «Diigo» oder «Edutags» gut geeignet.
[12] Näheres dazu in diesem Tweet von Steffen Rörtgen: https://twitter.com/steffenr42/status/1207285434952437760
OER selbst erstellen und teilen
Von der Idee bis zur Veröffentlichung: eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
OER zu erstellen muss nicht kompliziert sein. Nachfolgend werden alle Schritte vorgestellt, die für die Erstellung von OER zu gehen sind. Zu jedem Schritt wird unterschieden, ob es sich um das Pflicht- oder Kürprogramm handelt. Außerdem handelt es sich bei vielen Punkten um grundlegende Punkte, die man nur einmal für sich klären oder prüfen muss, die also nicht jedes Mal wiederholt werden müssen.
Schritt 0: Vorüberlegungen treffen
Es spielt eine große Rolle, ob Material von Anfang an als OER gedacht ist oder nicht. Denn jeder Bestandteil des entstehenden Bildungsmaterials muss frei lizenzierbar sein oder schon unter einer freien Lizenz zur Verfügung stehen.
Folgende Fragen können helfen, wenn man die Entscheidung für oder gegen eine freie Lizenz treffen will:
- Bin ich alleine (!) berechtigt, eine freie Lizenz zu erteilen?
- Bin ich bereit, die Kontrolle über den Inhalt abzugeben?
- Habe ich mir das gut überlegt?
- Auf welchen Materialien kann ich ggf. aufbauen?
Sie können nur Material mit einer CC-Lizenz freigeben, das sie komplett selbst erstellt haben. Wenn das Material Komponenten enthält, das von Dritten stammt, dann braucht es dafür eine Freigabe durch die Rechteinhaber. Formal gesehen muss auch geprüft werden, ob bei einem Material, das man beruflich erstellt hat, auch Rechte des Arbeitgebers betroffen sind. Da eine Lehrperson in Deutschland in der Regel große Freiheit hat, was den Umgang mit Lehr-Lern-Materialien angeht, ist das in der Praxis selten ein tatsächliches Problem. Anders verhält es sich, wenn ein Material im expliziten Auftrag Dritter erstellt wurde, so dass man nicht die exklusiven Rechte innehat. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Lehrerin Materialien für einen Verlag, eine Zeitschrift, ein Fortbildungsinstitut etc. erstellt hat.
Die Frage nach dem Kontrollverlust ist nicht zu vernachlässigen. CC-Lizenzen gelten für Jedermann. Ich kann vorher nicht wissen, wer in der Zukunft aus meinem Material was machen will. Es ist keine Aufteilung in gewünschte und unerwünschte Nutzung möglich. Ich muss also bereit sein, diesen Kontrollverlust über mein Material in Kauf zu nehmen.
Es ist ebenfalls wichtig zu wissen: Eine CC-Lizenz ist nicht widerrufbar. Eine Lizenzgeberin kann es sich nicht «anders überlegen». Es ist zwar möglich, dass sie selbst ihre Verbreitung stoppt, also das Material dort löscht, wo sie es veröffentlicht hat. Aber dann kann das Material dank freier Lizenz schon an andere Orte kopiert worden sein, auf die sie keinen Einfluss hat. Insofern ist dieser Schritt von großer Bedeutung: Prüfen Sie gründlich, ob Sie überhaupt eine freie Lizenz erteilen können und wollen.
Und schließlich: Es ist gerade im Kontext von OER sinnvoll zu fragen, ob es schon Material von Anderen gibt, auf das Sie aufbauen können. Gerade die Veränderbarkeit von Material, das Anpassen an einen Verwendungskontext ist eine der Kernideen von OER. Dieser Aspekt wird weiter unten im Abschnitt Auf bestehendem Material aufbauen: Kombination oder Remix beschrieben.
Muss ich jegliche Nutzung meines Materials dulden?
Eine freie Lizenz gilt für einen unbegrenzten Zeitraum, für einen unbegrenzten Kreis von Nutzern und für alle Verwendungszwecke. Es kann sein, dass irgendwann irgendjemand irgendetwas damit machen wird, was mir als Urheber nicht gefällt. Das bedeutet allerdings nicht, dass Urheber sich alles gefallen lassen müssen, was mit ihrem Material und ihrem Namen darunter passiert. Selbstverständlich bleiben verbotene Handlungen wie Betrug, Beleidigung, üble Nachrede etc. auch mit freien Lizenzen verboten. Außerdem gehört es zu den Lizenzbestimmungen, dass ein Lizenzgeber von einer Lizenznehmerin verlangen kann, dass sie bei der Verbreitung des Materials seinen Namen nicht nennt.
Schritt 1: Lizenz wählen
Die folgenden Fragen können Sie Schritt für Schritt durch den Prozess der Lizenzauswahl führen. Wenn Sie auf der Infografik (Abb. 000) die kleine Lok von links nach rechts steuern, so müssen sie an jeder Weiche eine Frage beantworten, um am rechten Ende bei der für Sie richtigen Lizenz zu landen.
Schritt 2: Lizenzdarstellung generieren
Nachdem die Entscheidung für die Lizenz für das eigene Material getroffen ist, braucht es eine Darstellung dieser Lizenz. Dabei ist insbesondere wichtig, dass in Medien, die keine klickbaren Links zulassen (beispielsweise Papier oder ein Video) die Webadressen ausgeschrieben werden. Außerdem muss an dieser Stelle deutlich gemacht werden, wie die Attribution, also die Namensnennung erfolgen soll. So wie der Urheber es hier festlegt, muss der Name dann von dem/der Lizenznehmer/in genannt werden. Für die praktische Erstellung der Lizenzdarstellung bietet Creative Commons ein Werkzeug[13] an, das die notwendigen Daten Schritt für Schritt abfragt und daraus die optimale Lizenzdarstellung entwickelt.Schritt 3: Drittmaterial beachten
Mit «Drittmaterialien» sind solche Inhalte gemeint, die Sie nicht selbst erstellen, sondern von anderen (den Dritten) übernehmen, in Ihr Material einbauen und nun freigeben. Das kann ganz einfach sein, aber auch hier gibt es einige Dinge zu beachten. Daher widmet sich ein gesonderter Abschnitt im Anschluss an diese Schritt-für-Schritt-Anleitung den entsprechenden Besonderheiten.Schritt 4: Material veröffentlichen
Es gibt, wie oben gezeigt, nicht einen zentralen Ort, an dem man OER veröffentlichen kann. Grundsätzlich kann zwischen verschiedenen Möglichkeiten unterschieden werden:
- eigene Website («Modell Blog»)
- eine allgemeine Plattform für OER («Modell ZUM.de»)
- Plattformen für bestimmte Fächer/Themen («Modell Serlo»)
- eine Plattform für spezielle Medienformen («Modell YouTube»)
Die Möglichkeiten schließen sich keineswegs gegenseitig aus. Ein Material kann auch an mehreren Orten veröffentlicht werden.
A. Eigene Website
Wer bereits über eine eigene Website verfügt, kann das Material dort veröffentlichen. Das kann auch die Website einer Schule, einer Initiative, einer Fachgruppe etc. sein. Der Vorteil: Man hat volle Kontrolle, wie man sein Material anbieten möchte. Der Nachteil: Man muss dafür sorgen, dass das Material auch gefunden wird.
B. Eine allgemeine Plattform für OER
Es gibt inzwischen einige Anlaufstellen für OER im deutschsprachigen Bereich. Ganz vorne muss dabei ZUM.de – die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V.[14] – genannt werden. Der (große) Vorteil einer solchen Plattform: Das Material ist «am richtigen Ort», der genau für so etwas erfunden wurde und an dem es Ansprechpartner und Gleichgesinnte gibt. Der (überschaubare) Nachteil: Man muss sich den Gegebenheiten anpassen und braucht eine erste Einarbeitung zur Orientierung in der großen ZUM.
C. Plattformen für bestimmte Fächer/Themen
Es existieren viele thematisch fokussierte Webangebote zu OER. Viele davon sind offen für weitere Materialien. Der Vorteil: Das Material ist «in guter Gesellschaft» und wird leichter gefunden. Der Nachteil: Man muss die Grenzen der Plattform akzeptieren.
Große Beispiele sind Serlo für den Bereich Mathematik oder rpi-virtuell für den Bereich Religion.
D. Eine Plattform für spezielle Medienformen
Es gibt Flickr für Fotos, SoundCloud für Musik, YouTube für Videos und andere Plattformen mehr, die sich auf bestimmte Medienformen spezialisiert haben. Allerdings kommen hier nicht nur Materialien für die Schule, sondern aus allen Bereichen zusammen. Damit wären wir schon beim Nachteil: Man hat keinen Einfluss auf die Umgebung, in der gegebenenfalls auch unangemessene Inhalte und Werbung auftauchen können. Vor diesem Hintergrund wird diese Option in der Praxis von Lehrpersonen häufig unter Wert eingeschätzt. Denn der Vorteil auf der anderen Seite ist: Diese Seiten werden von sehr, sehr vielen Menschen genutzt und spielen auch für die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen eine große Rolle.
Entscheidend ist dabei, dass die Plattform eine maschinenlesbare Kennzeichnung der freien Lizenz ermöglicht, denn nur so wird das Material auch entsprechend gefunden. Das ist in der Regel automatisch der Fall, wenn die Plattform beim Hochladen eines Materials nach einer entsprechenden Lizenzierung fragt.
Einen Sonderfall dabei stellt die Plattform Wikimedia Commons dar, auf der ausschließlich Materialien unter freier Lizenz zu finden sind.
Schritt 5: Metadaten bereitstellen (Kür)
Langweilig – aber wirkungsvoll!
«Metadaten», das klingt langweilig und wird häufig ignoriert oder als unwichtig eingeordnet. Dabei ist hier mit geringem Aufwand ein großer Nutzen zu erreichen. Metadaten sorgen nämlich dafür, dass ein Material überhaupt gefunden werden kann. Metadaten sind Informationen über ein Material.[15] Es gibt eine sehr hilfreiche Frage, die man sich stellen muss, wenn es darum geht, dass das eigene Material gefunden werden soll: «Welche Begriffe gibt jemand in eine Suchmaschine ein, der mein Material als Ergebnis angezeigt bekommen soll?»
Beispiel: ein Foto namens «IMG_20171813_205356.jpg»
Nehmen wir an, Sie machen ein tolles Foto von einer Cumulonimbus, auch Gewitterwolke genannt. Ihr Smartphone speichert das Bild unter dem Dateinamen «IMG_20171813_205356.jpg». Sie denken, dass das Foto auch für andere eine hilfreiche Ressource sein könnte. Daher laden Sie es auf eine Foto-Plattform wie Wikimedia Commons, Flickr oder Pixabay hoch. Würden Sie jetzt gar keine weiteren Informationen über das Bild (Metadaten) bereitstellen, so würden nur Menschen über die Suche zum Bild finden, die nach «IMG_20171813_205356.jpg» suchen. Deswegen fragen die Plattformen beim Hochladen Metadaten ab, zum Beispiel einen Titel und Schlagworte. Auch Ihr Name als Urheber und die Angabe einer Lizenz sind solche Metadaten.
Die zentrale Bedeutung von Schlagworten (Tags)
Es gibt viele verschiedene Standards für Metadaten, die teilweise Dutzende von Feldern umfassen. Für den Einsatz im Alltag sollten folgende Angaben für OER ausreichen:
- Titel
- Autor
- Lizenz
- Beschreibung
- Schlagworte (engl. «tags»)
Die ersten drei Punkte wird man wahrscheinlich automatisch bedenken. Einen besonders hohen Stellenwert haben die Schlagworte. Denn hier lässt sich besonders gut das unterbringen, was andere Menschen suchen könnten. Je nach Material könnten das beispielsweise Angaben zu den folgenden Bereichen sein:
- Schulfach (z. B. «Mathematik»)
- Schultyp (z. B. «Grundschule»)
- Jahrgangsstufe (z. B. «3. Klasse»)
- Oberthema (z. B. «Zahlenraum bis 1000»)
- Unterthema (z. B. «Zahlenstrahl»)
- verwandte Fachbegriffe (z. B. »natürliche Zahlen«, «Zahlenfeld»)
- Materialart (z. «Arbeitsblatt»)
- Niveaustufe (z. «Anfänger»)
Schaut man sich nun die Beispielbegriffe an, die man als Schlagworte eintragen könnte, so sieht man, dass diese gut als Suchbegriffe funktionieren.
Es gibt für Schlagworte keine Mindestanforderungen oder ähnliches. Generell gilt: Jede Minute, die man in gute Schlagworte investiert, wird später vielen Menschen helfen, das Material zu finden.
Schritt 6: Offene Dateiformate mitliefern
Dieser Abschnitt gehört zur Kür von OER. Im Folgenden sind drei Stufen von technischer Offenheit beschrieben.
Stufe 1: «offen» wie in «bearbeitbar»
Lehrende lieben sie und Lehrende hassen sie: PDF-Dateien. Das Dateiformat ist dafür erfunden worden, dass Inhalte möglichst überall gleich aussehen, egal auf welchem Gerät sie angezeigt oder auf welchem Drucker sie ausgedruckt werden. Die Kehrseite: PDF-Dateien lassen sich nicht vernünftig bearbeiten. Wer also eigene Materialien unter freier Lizenz bereitstellt und dafür nur PDF-Dateien nutzt, der gibt über die freie Lizenz zwar das Recht zur Bearbeitung, verhindert die Bearbeitung aber auf der technischen Ebene. Die Lösung ist einfach: Man stellt neben der PDF-Datei auch die bearbeitbare Datei bereit, also die Datei, mit der das Material erstellt wurde. Es spricht nichts dagegen, den Inhalt in mehreren Dateiformaten bereitzustellen, also die PDF-Datei UND eine Word-Datei o. Ä.
Stufe 2: «offen» wie in «freie Software»
In einigen OER-Diskussionen wird die Position vertreten, dass nur solche Dateiformate wirklich das Prädikat «offen und frei» erhalten dürfen, die auch mit freier Software genutzt werden können. Freie Software/Open Source meint Programme und Dienste, die selbst unter freier Lizenz stehen. Denn die lizenzrechtliche Offenheit eines Materials nutzt nichts mehr, wenn für die Nutzung eine teure Software notwendig ist oder im schlimmsten Fall die Software irgendwann in Zukunft nicht mehr verfügbar ist. Allerdings braucht es hier Kompromisse. In manchen Bereichen sind die vorherrschenden Programme zwar nicht offen, aber so dominant, dass eine Nutzung von Alternativen für die meisten Menschen nicht in Frage kommt. Ein praktikabler Weg kann auch hier darin bestehen, mehrere Dateiformate bereitzustellen.
Stufe 3: «offen» wie in «Rohdaten»
Es ist noch eine weitere Stufe der Bereitstellung von Materialien denkbar: Bei komplexeren Inhalten können die einzelnen Bausteine getrennt voneinander bereitgestellt werden. Drei Beispiele:
- eine Präsentation, zu der Texte, zahlreiche Fotos und Grafiken gehören
- ein Quiz, zu dem eine Liste von Fragen und Antworten sowie Bebilderung gehören
- ein Video, zu dem Manuskript, eingebaute Abbildungen oder Tondateien gehören
Der zusätzliche Aufwand für diese Bereitstellung ist hoch, und niemand wird ihn zusätzlich von einer «normalen» Lehrperson verlangen. Allerdings werden Materialien auch häufig von «Profis» erstellt, die für die Erarbeitung und Bereitstellung von Inhalten bezahlt werden. Für sie ist der Zusatzaufwand machbar, wenn sie den Aufwand von vornherein mitkalkulieren. Es ist durchaus vorstellbar, dass eine gemeinnützige Stiftung, eine staatliche Bundeszentrale, der Mitarbeiter an einem Landesinstitut oder ein beauftragtes Verlagshaus in Zukunft nicht «nur» fertige Materialien unter freier Lizenz bereitstellt, sondern auch die einzelnen Bausteine.
Was genau dann aus diesen Materialien gemacht wird kann man nicht vorhersehen. Wir wissen noch gar nicht, was passieren kann, wenn es der einfache und erwünschte Regelfall ist, Material zu bearbeiten, zu kombinieren und weiterzuentwickeln.
Schritt 7: Auf bestehendem Material aufbauen: Kombination und Remix
Es ist ein Kernelement des OER-Gedankens, dass das Rad nicht immer neu erfunden werden muss. Ganz im Gegenteil ist die Veränderbarkeit von Material ein zentraler Punkt der Offenheit. Deshalb macht es Sinn, als Vorarbeit zur Erstellung von eigenem OER zu schauen, ob es schon Material gibt, das zum Thema passt und z.B. übersetzt werden könnte.
Lizenzierung bei Komposition/Sammlung
Fügt man eigene Materialien mit Drittmaterialien zu einer Komposition/Sammlung zusammen, so ist die Lizenzierung vergleichsweise einfach: Das selbst erstellte Material wird unter eine Lizenz eigener Wahl gestellt. Das übernommene Drittmaterial wird unter der Lizenz weitergeführt, unter der es vom Dritten lizenziert wurde. Beide Lizenzen stehen unverbunden nebeneinander, so wie die beiden Werke getrennt voneinander wahrgenommen werden können. Insofern können sich die Lizenzen auch nicht untereinander ins Gehege kommen, was ihre Auflagen angeht.
Es ist allerdings sehr wichtig, bei der Formulierung von Lizenzhinweisen sehr genau darauf zu achten, dass potentiellen Lizenznehmer/innen klar ist, worauf genau sich welche Lizenz bezieht
Lizenzierung bei Werkverbindung/Vermischung
Eine Stufe komplexer wird es, wenn es sich um eine Werkverbindung/Vermischung handelt, da hier ein neues Werk mit eigenem urheberrechtlichen Schutzanspruch entsteht. Auch in diesem Fall muss zunächst die Lizenz zu jedem einzelnen verwendeten Werk eingehalten und ausgewiesen werden. Zusätzlich wird eine Lizenz auf das neue Gesamtwerk vergeben, das auf die Drittmaterialien (und ggf. auf eigene Materialien) aufbaut.
Hinzu kommt jetzt, dass auch auf die Kompatibilität der Lizenzen untereinander geachtet werden muss. Denn nicht alle Lizenzen vertragen sich miteinander, wenn man die Lizenzauflagen beachtet.
Lizenzkompatibilität
Nicht alle freien Lizenzen sind untereinander kompatibel, das gilt auch für CC-Lizenzen. Daher wird für OER empfohlen, Lizenzen mit wenigen Auflagen zu wählen. Solche Lizenzen sind CC BY und CC0. Die Auflage »BY – Namensnennung« stellt in Sachen Kompatibilität kein Problem dar, weil sie sich immer erfüllen lässt. Bei Lizenzen mit weiteren Auflagen wird es schwierig bis unmöglich:
- «SA – ShareAlike/Weitergabe unter gleichen Bedingungen» macht die explizite Vorgabe, dass ein neues Werk, das auf das SA-lizenzierte Werk aufbaut, mit der gleichen Lizenz versehen sein muss. Damit ist die Lizenz für das neue Werk bereits vorgegeben und andere Materialien können nur verwendet werden, wenn ihre Lizenzen damit kompatibel sind.
- Insbesondere die Auflage «NC – NonCommercial/nicht-kommerziell» verträgt sich nicht mit einer CC BY-SA-Auflage. Denn letztere würde erlauben, was erstere verbietet.
Auch aus dieser Tabelle lässt sich eine Schlussfolgerung ziehen, die vorher schon einmal angesprochen wurde: Wenn man sich das Leben als OER-Praktiker/in deutlich erleichtern möchte, konzentriert man seinen OER-Begriff auf CC0 und CC BY, vielleicht noch CC BY-SA-Lizenzen.
Ein neues Werk ohne eigene Materialien
Bisher war stets die Rede davon, dass eigene Materialien und Drittmaterialien miteinander kombiniert werden. Es kann auch der Fall auftreten, dass gar keine eigenen Materialien, sondern ausschließlich Drittmaterialien neu zusammengeführt werden. Lizenztechnisch macht das keinen Unterschied – weiterhin müssen die Bedingungen der Ausgangswerke beachtet und eine Lizenz für das neue Gesamtwerk vergeben werden.
Super-Fortgeschritten: Veränderung von schon veränderten Werken
Ein spekulativer Blick in die Zukunft: Mit einer wachsenden Menge von frei lizenzierten Materialien und immer mehr Praktiker/innen, die diese Materialien verändern und wieder veröffentlichen, könnte sich in den nächsten Jahren eine neue Herausforderung ergeben. Es braucht Lizenzhinweise zu Materialien, die Person A bearbeitet hat, auf Grundlage von Materialien, die Person B bearbeitet hat, auf Grundlage von Materialien, die Person C bearbeitet hat, auf Grundlage von Materialien, die Person D erstellt hat.
Da die CC-Lizenzen ja die Auflage machen, dass nicht nur Urheber, sondern auch Veränderungen benannt sein müssen, stellt sich die Frage: Muss Person A in ihrem Lizenzhinweis ausweisen, welche Änderungen jeweils durch sie selbst (Person A) und vorher schon durch Person B und C gemacht wurden und dazu als Ausgangspunkt Person D nennen? Die Antwortet lautet schlicht: ja. (In Abschnitt 3.a.1.B des Rechtstextes zu den aktuellen Lizenzen steht, dass man bei der Weitergabe «alle vorherigen Änderungsangaben beibehalten» muss.)
Die Aussicht auf (noch) längere und umständlichere Lizenzhinweise mag nicht gerade einladend sein. Allerdings wissen wir aus anderen Projekten, dass für solche Herausforderungen schnell technische Lösungen gefunden werden. Das größte Beispiel ist Wikipedia, bei dem zu jedem Artikel jede einzelne Bearbeitung nachvollziehbar bleibt. Dafür kann man bei jedem Artikel auf «Versionsgeschichte» klicken und alle Bearbeiter/innen und ihre Veränderungen erkennen.
[13] Der »CC Licence Chooser« hat zwar einen englischen Namen, ist aber ansonsten komplett auf Deutsch zu bedienen. Die Webseite https://creativecommons.org/choose/?lang=de wird von Creative Commons angeboten, um automatisch optimale Lizenzdarstellungen generieren zu lassen.
[14] Hinter ZUM.de steht ein gemeinnütziger Verein, dessen Arbeit von Lehrpersonen ehrenamtlich geleistet wird und der bereits 1997 gegründet wurde. Die ZUM kann als Pionier und Platzhirsch in Sachen OER in Deutschland gelten.
[15] Es gibt auch eine «OER-Metadatengruppe», die 2014 einen Entwurf von Empfehlungen zur Publikation von OER-Metadaten veröffentlicht hat. Diesen Entwurf und die digitale Heimat der Gruppe findet man im Web unter wiki.dnb.de
OER-Beitrag zur Medienkompetenz
Wie können OER zu Medienkompetenz und zeitgemäßem Unterricht beitragen?
Auch wenn es bei OER auf den ersten Blick nur darum geht, Material mit einer Lizenz zu versehen, sind über die oben beschriebenen 5V Freiheiten Kompetenzen angesprochen, die auf ein konstruktivistisches und prinzipiell demokratisches Verständnis von Bildung verweisen. Hiermit sind Grundannahmen für digitale Integration und Medienkompetenz angelegt. In emanzipatorischem Sinne kann OER dazu beitragen, Lehrpersonen aber auch Schüler/innen aus einer passiven Rolle als Konsument/in herauszulösen und ein Verständnis davon zu vermitteln, dass die (digitale) Umwelt immer auch gestaltbar ist. Die dazu notwendigen Kompetenzen umfassen technische, rechtliche, gestalterische, didaktische und fachliche Komponenten. Eine selbstbestimmte Mediennutzung und -gestaltung verlangt nach einer kritischen Einschätzung, einem kreativen Umgang und einem kollaborativen Austausch von und mit Medien. Souveränität im Umgang mit urheberrechtlichen Fragen und ein verantwortungsbewusster Umgang mit geistigem Eigentum tragen dazu bei, dass gesellschaftliche Fragestellungen als gestaltbar und für den einzelnen relevant erlebt werden. Für den Unterrichtsalltag bedeutet der Einsatz und die Entwicklung von OER die Chance, auf unterschiedliche Lernstile, -voraussetzungen und Zugänge eingehen zu können und so zu inklusiveren Lernumgebungen beitragen zu können. Nicht zuletzt begünstigt OER auch eine Öffnung von Schule: nicht nur ist es leichter möglich, Materialien aus unterschiedlichen Ländern zu verarbeiten, OER bringt auch verstärkt verschiedene Akteure zusammen, die bisher in getrennten Kreisen diskutierten.Exkurs: Lernende als Produzenten von OER
Auch Lernende können selbstverständlich Produzenten von OER werden. Sie können ihre Arbeiten genau so unter eine freie Lizenz stellen wie jeder andere Mensch auch. (Wenn man bei Minderjährigen davon ausgehen muss, dass sie die Folgen einer solchen Entscheidung nicht ausreichend überblicken können, braucht es zusätzlich das Einverständnis der Eltern.) Es gibt sogar schon Schulen, in denen die Lernenden systematisch OER produzieren. An der berufsbildenden Oskar-von-Miller Schule in Kassel dokumentieren Schüler ihre Arbeiten in einem digitalen Portfolio. Sie können dabei von Fall zu Fall entscheiden, ob sie ihre Arbeiten nur für eine Lehrkraft oder für die Schulgemeinschaft oder ganz öffentlich freigeben. Die CC-Lizenzen kommen dabei standardmäßig zum Einsatz. Die Schule setzt dabei ein bewährtes Konzept in neuer Form um: Man muss eine Sache gut verstanden haben, damit man sie anderen erklären kann. Und ein OER-Material zu erstellen ist ja eine besondere Art der Erklärung.
Selbstverständlich brauchen die Schüler/innen eine Einführung in die Nutzung freier Lizenzen[16]. Dies weist auf Überlegungen zu einer Verbindung von Open Educational Resources und Open Educational Practises hin, also offenen Bildungspraktiken. Damit sind Praktiken gemeint, die vor allem das personalisierte, projektorientierte und kollaborative Lernen in den Mittelpunkt stellen.[17]
[16] Eine ausführliche Anleitung, wie man Schüler/innen an die Funktionsweise und die Nutzung der Creative-Commons-Lizenzen heranführt, ist auf der Website des Lehrers und Medienberaters André Hermes zu finden: http://medienberaterbloggt.de/cc-kompetenz-ein-vermittlungsmodell/ Dort erklärt André Hermes jeden von 5+1 Schritten mittels Audiodateien zum Zuhören oder zum Nachlesen als Transkript.
[17] In Anlehnung an konstruktivistische Lerntheorien hebt Seymour Papert die Bedeutung des aktiven Handelns, des Machens für den Lernprozess hervor. Vgl. für weitere Ausführungen zur Nähe von Offener Bildungspraxis und OER auch: Positionspapier des Bündnis Freie Bildung https://buendnis-freie-bildung.de/positionspapier/
Hintergrund-Infos
Qualitätssicherung bei OER
Open Educational Resources haben jenseits der Fragen von Offenheit auch die Eigenschaften ganz normaler «Educational Resources», also traditioneller Materialien. Vor diesem Hintergrund gelten für sie die gleichen Regeln, was die Zulassung und Eignung für die Schule betrifft. So muss zum Beispiel ein OER-Schulbuch, um als Schulbuch zugelassen zu werden, dieselben Anforderungen erfüllen wie andere Schulbücher auch. Allerdings ist der Geltungsbereich von Zulassungsverfahren auf Schulbücher begrenzt und darüber hinaus in den einzelnen Bundesländern uneinheitlich geregelt. Für alle anderen Materialien, die eine Lehrperson einsetzen kann (Übungen, Arbeitsblätter, Videos, Software etc.) existieren keine Zulassungsverfahren. Die Entscheidung obliegt dem fachlichen Urteil der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer. Ob es sich um ein traditionelles oder ein offen lizenziertes Material handelt, spielt dabei keine Rolle.
Es gehört zur täglichen Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern, Materialien daraufhin zu überprüfen, ob sie für den Unterricht geeignet sind. Wer sich genauer mit Lehrpersonen unterhält, kann erkennen, dass die bisherigen Erfahrungen dabei eine große Rolle spielen. Wer mit Materialien aus einer bestimmten Quelle in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht hat, wird auch für zukünftige Materialien einen entsprechenden Vertrauensvorschuss geben.
Bei Open Educational Resources funktioniert dieser Mechanismus bisher nur bedingt. OER findet sich an verschiedenen Stellen im Netz, von denen man viele bisher nicht kennt und zu denen man entsprechend auch keine vertrauensbildenden Erfahrungen machen konnte. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass verschiedene Mechanismen an diese Stelle treten. So kann zum Beispiel auf OER-Plattformen wie Edutags in Deutschland ein Material von den Nutzer/innen bewertet oder rezensiert werden. Schon heute nimmt die Bedeutung von persönlichen Empfehlungen zu. Im Kollegium, Facebook-Gruppen oder auf Twitter fragen Lehrpersonen andere Lehrkräfte, welche Materialien sie empfehlen können.
Viele Köche finden den Fehler?
Neu bei OER ist, dass ein Material von allen verändert und wieder veröffentlicht werden kann. So ist denkbar, dass jemand ein gutes Material aus einer renommierten Quelle nimmt, dort Fehler einbaut und die «verschlimmbesserte» Fassung wieder veröffentlicht. Das ist möglich, und es wird passieren, ist aber kein Problem, das für OER allein gilt. Auch ohne CC-Lizenzen waren und sind fehlerhafte oder tendenziöse Materialien im Umlauf. Ein Beispiel: Stiftung Warentest testete 2007 Schulbücher für Biologie. In der Kategorie «Fehlerfreiheit» erhielten nur zwei von zehn Büchern die Note gut, die Hälfte war ausreichend oder mangelhaft. Sechs Jahre später prüfte die Wissenschaftlerin Sandra Schön mit ihrem Team, wie viele diese fehlerhaften Bücher inzwischen durch verbesserte Auflagen ersetzt worden waren. Das Ergebnis: Ein Buch war nicht mehr erhältlich, die anderen neun von zehn Büchern wurden in Deutschland weiter in der 2007 getesteten Version vertrieben. Der Unterschied bei OER gegenüber traditionellen Materialien liegt darin, dass es leichter ist, schlechte Inhalte zu verbessern, veraltete Inhalte zu aktualisieren und Fehler zu korrigieren. Gerade wenn nicht nur einzelne Autoren, sondern mehrere Mitwirkende an einem Material beteiligt sind, können Fehler schneller gefunden und verbessert werden. Die kollaborative Arbeit an Wikipedia ist der beste Beleg für solche Mechanismen. Zwar existieren auch in Wikipedia Fehler, aber die Qualität der Inhalte ist insgesamt deutlich höher als in den traditionellen Enzyklopädien, die von einzelnen Fachleuten geschrieben und geprüft wurden. Des Weiteren gilt, dass alle CC-Lizenzen vorschreiben, dass eine veränderte Version gekennzeichnet werden muss. Sie erlauben also nicht, dass weiterhin die renommierte Quelle genannt wird, ohne dass auf die Veränderung hingewiesen würde.
Finanzierungsmodelle für OER
Verschiedene Wege zur Finanzierung freier Bildungsmaterialien werden im Abschlussdokument des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts «Mapping OER»[18] (Wikimedia 2016) gezeigt.
So wurden mit der Förderrichtlinie zu OER des BMBF seit Anfang 2017 sowohl eine bundesweite Informationsstelle zu OER aufgebaut als auch mehrere Qualifizierungsprojekte finanziert. Weitere Initiativen gibt es auf Ebene der Länder. Beispielsweise können sich Lehrpersonen in Baden-Württemberg zum Teil von Unterrichtsverpflichtungen befreien lassen, um in dieser Zeit OER zu entwickeln. Zur Verfügung stehen in diesem Fall – über die einzelne Schule beantragt und organisiert – so genannte Deputatsstunden, d.h. Ermäßigungen bei der Unterrichtszeit, die traditionell beispielsweise für die Betreuung der Schulbibliothek oder ähnliche schulspezifische Zusatzaufgaben zur Verfügung standen. Ähnliche Angebote gibt es in Berlin, Hamburg und weiteren Bundesländern..
Einen grundsätzlichen Zugang zur öffentlichen Lehr- und Lernmittelfinanzierung gibt es für OER in Deutschland aktuell aber nicht. Um zu sehen, wie der skizzierte Weg funktionieren könnte, muss deshalb ein Blick in andere Länder geworfen werden. So wurde in Norwegen beispielsweise mit öffentlichen Mitteln die Norwegian Digital Learning Arena (NDLA) aufgebaut – eine OER-Website mit Lehr- und Lernmitteln für den schulischen Oberstufenbereich. Zur Finanzierung des Angebots geben alle norwegischen Gebietskörperperschaften (Counties) mit Ausnahme von Oslo aktuell 20 Prozent ihres Lehr- und Lernmittel-Etats an die Plattform. Die norwegischen Schulbuchverlage hatten gegen den Aufbau und die staatliche Finanzierung ohne Erfolg geklagt.
Einen ähnlichen Weg schlug Polen ein: Hier stellte die Regierung im Jahr 2012 fast 11 Millionen Euro für die Entwicklung offen lizenzierter Schulbücher für die Klassenstufen vier bis sechs zur Verfügung. Die polnischen Schulbuchverlage beteiligten sich nicht an der Ausschreibung. Befürchtet und beklagt werden von ihnen Qualitätseinbußen, Intransparenz bei Ausschreibungen und fehlende nachhaltige Finanzierungsmodelle. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass – wenn in Deutschland über die Öffnung der staatlichen Bildungsfinanzierung für OER diskutiert wird – häufig die Bedrohung des Geschäftsmodells der Schulbuchverlage als Folge genannt wird.
Denkbar wäre aber auch die Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle und Geschäftsmodelle wie sie etwa der Finanzierung von Open Source Software üblich ist. Auch private Spenden bzw. ehrenamtliche Initiativen sind denkbar. Als eine weitere Option ist denkbar, die öffentliche Lehr- und Lernmittelfinanzierung, mit der insbesondere der Kauf von Schulbüchern staatlich bezuschusst oder sogar vollständig finanziert wird, auch für OER zu öffnen. Für den ersten Weg sprechen vor allem die größere Flexibilität und Offenheit. Der zweite Weg würde dagegen eine verlässliche und nachhaltige Finanzierung garantieren. Insbesondere für den Bereich der Schule, in dem die öffentliche Finanzierung von Lehr- und Lernmitteln eine zentrale Rolle spielt, wäre solch eine verlässliche und nachhaltige Perspektive von großer Bedeutung.
In Deutschland wird OER bislang vor allem durch ehrenamtliche Initiativen und wie oben gezeigt durch öffentliche Mittel getragen. Ein Beispiel für ehrenamtliche Initiative ist die bereits oben erwähnte Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet. Hier stellen Lehrpersonen ihren Kolleginnen und Kollegen Materialien, die sie selbst entwickelt haben, auf ehrenamtlicher Basis und im Rahmen einer Kultur des Teilens kostenfrei zur Verfügung. Im OER Bereich seltene Startup-Gründungen wie der Online-Arbeitsblatt-Editor «Tutory» setzen dagegen auf ein Freemium-Modell, bei dem nur die Basisversion kostenfrei genutzt werden kann. Wer mehr Möglichkeiten für Anpassungen der mit OER-Inhalten erstellten Arbeitsblätter haben möchte, muss ein kostenpflichtiges Abo-Modell abschließen. Des Weiteren gibt es Ansätze, die Entwicklung von OER durch Crowdfunding zu finanzieren. Auf diese Weise entstand im Rahmen des Projekts Schulbuch-O-Mat beispielsweise ein Biologie-Schulbuch, das unter einer freien Lizenz steht. Speziell in der Weiterbildung werden OER als ein mögliches Marketing-Instrument für freiberuflich arbeitende Lehrpersonen eingeordnet. Mit diesem Argument wirbt zum Beispiel das Anfangs BMBF-geförderte Projekt «OER-MuMiW», ein Projekt für OER-Macher und Multiplikatoren in der Weiterbildung.
Geschäftsmodelle zu OER lassen sich durchaus auch abseits einer Vergütung der Erstellung von OER entwickeln. Denkbar wäre eine gezielte Zusammenstellung im Sinne einer Kuratierung von Materialien zu einem bestimmten Themengebiet, die Unterstützung bei der Erstellung von OER oder das Angebot einer Qualitätsüberprüfung.
Übersicht: Praxis und Politik – die wichtigsten OER-Akteure
Mit der Verabschiedung der UNESCO Empfehlung zu OER[19] während der 40. UNESCO Generalkonferenz im November 2019 in Paris ist OER auf der politischen Agenda bestätigt worden. Mit der Annahme der Empfehlung verpflichten sich die UNESCO-Mitgliedsstaaten dazu, OER stärker in die nationale Bildungspolitik und -praxis einzubinden. Ziel ist es, die Kapazitäten für OER zu aufzubauen, OER-förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, einen effektiven, inklusiven und chancengerechten Zugang zu hochwertiger OER zu ermöglichen und nicht zuletzt auch die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Mit der Verabschiedung der Empfehlung verpflichten sich die Mitgliedstaaten u.a. dazu, regelmäßig Berichte zu Fortschritten, guter Praxis, Innovationen und Forschung zu OER zu veröffentlichen.
In Deutschland[20] wurden die Bemühungen um OER zunächst durch private Initiativen voran gebracht. 2016 ist war entscheidendes Jahr für OER in Deutschland auf politischer Ebene. Seinen Ausdruck findet dies durch ein im November 2016 veröffentlichte Positionspapier zu OER der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) welches das innovative Potenzial von Open Educational Resources zur Verbesserung von Lehre und Lernen betont. Wenig später erwähnte die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrer Digitalen Bildungsstrategie «Bildung in der digitalen Welt» OER und andere digitale Formate als Äquivalente zu traditionellen Bildungsmedien. Und schließlich wurde 2016 das erste Förderprogramm für OER auf Bundesebene eingeführt. Mit «OERinfo» werden eine zentrale Informationswebsite und 23 Aktivitäten in verschiedenen Bildungssektoren gefördert. Die Informationsstelle OERinfo (OERinfo)[21] ist ein themenspezifisches Online-Portal, das für die Öffentlichkeit und fachliche Zielgruppen umfassende Informationen zum Thema OER zur Verfügung stellt. Ziel ist die breite Sichtbarmachung von OER und die Ansprache von neuen Zielgruppen. Der aktuelle Kenntnisstand soll für die Praxis aufbereitet, Informationen zu Best-Practice-Beispielen gebündelt und die Vielfalt vorhandener Initiativen abgebildet werden. Zivilgesellschaftlich ist für OER besonders das Bündnis freie Bildung[22] als Zusammenschluss verschiedener Akteure und Initiativen aktiv. Auf der praktischen Ebene sind in verschiedenen Bildungssektoren die MOOC-Plattform von oncampus (Fachhochschule Lübeck, mooin[23]), die Hamburg Open Online University (HOOU[24]), das Kooperations- und Unterstützungsangebot für OER-Projekte und -Akteure mit Schwerpunkt IT, Recht, Didaktik und Produktion Jointly[25] zu nennen, die neben einigen anderen Projekten eine nachhaltige Verankerung von OER voran treiben wollen. Auch auf Länderebene gibt es verstärkt Initiativen für die Einrichtung von OER-Plattformen, wie etwa in Baden-Württemberg, Bayern und NRW. Begleitet werden die Bemühungen von praktischen Initiativen der oben schon erwähnten Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet, ZUM e.V., oder den seit vielen Jahren durchgeführten OERcamps, bei denen sich OER-Interessierte aus allen Bildungsbereichen, aus Theorie und Praxis sowie von Newbie bis Profi treffen. Eine Übersicht über Akteuere und Projekte findet sich auf der OER World Map in ihrer regionalen Ausprägung für deutschsprachige Projekte, der OER-Karte[26].
In Österreich sind die Aktivitäten um OER zahlreich. Seit vielen Jahren etabliert ist die MOOC-Plattform der Universität Graz, iMooX[27]. Über das Austria-Forum[28], eine Website der TU Graz mit Liste aller Angebote für OER in Österreich, lässt sich ein länderspezifischer Überblick gewinnen. Mit der eduthek[29] befindet sich für den Bereich Schule ein Angebot im Aufbau, das herausgegeben vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Wien eine Plattform für Lehr- und Lerninhalte sowie eine Community für OER bietet.
Auch in der Schweiz gibt es zunehmend Aktivitäten in Sachen OER. Für den Bereich Schule sind diese auf der Website Schule OER[30] gelistet. Ein weiteres Angebot ist der Open Education Server[31]. Mit der Special Interest Group OER Schweiz[32] ist eine Initiative zur Stärkung von OER u.a. in der Ausrichtung von OER Konferenzen aktiv.
[18] Wikimedia Deutschland: Praxisrahmen für Open Educational Resources (OER) in Deutschland, 2016
[19] https://www.unesco.de/sites/default/files/2019-11/UNESCO%20Empfehlung%20zu%20OER.pdf
[20] Orr, Dominic, Neumann, Jan, Muuß-Merholz, Jöran: OER in Deutschland: Praxis und Politik. Bottom-Up-Aktivitäten und Top-Down-Initiativen (2018), Dominic Orr. Bonn: UNESCO, 2018. Online verfügbar.
[21] http://open-educational-resources.de/
[22] https://buendnis-freie-bildung.de/
[23] https://mooin.oncampus.de/
[24] http://www.hoou.de/
[25] http://jointly.info/
[26] https://oerworldmap.org/resource/
[27] https://imoox.at/wbtmaster/startseite/index.html
[28] https://austria-forum.org/af/Allgemeinwissen/Open_Educational_Resources/OER_Angebote_%C3%96sterreich
[29] https://eduthek.at
[30] https://oer-schweiz.ch/schule/
[31] https://openeduserver.ch/
[32] https://www.eduhub.ch/community/Special-Interest-Groups/oer/
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