Leitfaden Laut lesen:

Die Publikation «Laut Lesen. Leseflüssigkeit im Unterricht fördern» von Andreas Gold und Cornelia Rosebrock zeigt, wie Lautleseverfahren gezielt eingesetzt werden können, um Kinder und Jugendliche beim Lesen hör- und sichtbar voranzubringen. Mit «Laut Lesen» erhalten Schulen und Lehrpersonen einen fundierten und zugleich praxisnahen Leitfaden, der zeigt, wie Leseflüssigkeit systematisch aufgebaut und so die Grundlage für erfolgreiches Lernen gelegt werden kann.

von

Andreas Gold

Dr. Andreas Gold ist Seniorprofessor für Pädagogische Psychologie an der Frankfurter Goethe-Universität. Er hat zahlreiche Lehrbücher zum Lehren und Lernen und zu Lernschwierigkeiten veröffentlicht sowie Trainingsprogramme zur Leseförderung. Zu seinen Publikationen gehören u.a.: Gold, A. (2018). Lesen kann man lernen. Vandenhoeck & Ruprecht. (IQES 2026). Gold, A. (2023). Digital lesen. Was sonst? Vandenhoeck & Ruprecht. Judith Küppers, Elmar Souvignier , Andreas Gold (2024). Die Textdetektive. Vandenhoeck & Ruprecht. (IQES 2026).

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Cornelia Rosebrock

Dr. Cornelia Rosebrock war bis Herbst 2023 Professorin für Neuere deutsche Literatur und ihre Didaktik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Dort hat sie zu Themen der Lesedidaktik, des Literaturerwerbs und der literarischen Sozialisation geforscht, gelehrt und publiziert. Zu den Publikationen von Cornelia Rosebrock gehört u.a. das zusammen mit Daniel Nix verfasste Standardwerk Grundlagen der Lesedidaktik. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren (2025).

, unter Mitwirkung von

Gerold Brägger

Gerold Brägger, M.A., ist Leiter und Gründer der IQES-Plattform und der Beratungs- und Weiterbildungsinstitute schulentwicklung.ch und IQES-schulentwicklund.de. Er ist Erziehungswissenschaftler, Schulberater, Lehrerbildner, Autor von pädagogischen Fachbüchern und Lernmitteln sowie Redaktionsmitglied der Fachzeitschrift PÄDAGOGIK. Arbeitsschwerpunkte: Sprach- und Leseförderung, Künstliche Intelligenz, Lerncoaching, Schul- und Unterrichtsentwicklung, Evaluation, Digitale Medien in Schule und Unterricht, kompetenzorientierter Unterricht und selbstkompetentes Lernen, Schulleitung, Gute gesunde Schulen, Schulentwicklung in Netzwerken und Bildungsregionen. Publikationsliste herunterladen Web: www.IQESonline.net | www.schulentwicklung.ch | www.IQES-schulentwicklung.de Publikationen von Gerold Brägger im Beltz Verlag

Leseflüssigkeit als Brücke

Christine Garbe (2024). IQES-Leitfaden Lesekompetenz fördern

Leseflüssigkeit ist eine entscheidende Brücke zwischen dem basalen Dekodieren und dem Textverstehen, also zwischen dem mühsamen Erlesen einzelner Buchstaben, Silben und Worte und dem inhaltlichen Verstehen des Gelesenen. Sie ermöglicht es Leser:innen, Texte mühelos und mit Ausdruck zu erfassen, wodurch kognitive Ressourcen für das Verstehen freigesetzt werden.

Die vier Teilfähigkeiten des flüssigen Lesens

Leseflüssigkeit ist das Ergebnis einer Reihe von hierarchieniedrigen Teilprozessen, die reibungslos funktionieren. Flüssig liest, wer weitgehend fehlerfrei, in hohem Maße automatisiert, hinreichend schnell sowie mit einer angemessenen Segmentierung und ausdrucksvollen Betonung lesen kann. Aus lesedidaktischer Sicht lässt sich das so fassen (Rosebrock & Nix, 2025):

Genau, also weitgehend fehlerfrei, liest, wer mehr als 95 Prozent aller Wörter eines Textes korrekt lesen kann. Wird eine sinnentstellende Verlesung eigenständig bemerkt und rasch korrigiert, so gilt dies nicht als Lesefehler. Wo nicht wenigstens 90-95 Prozent der Wörter fehlerfrei gelesen werden, ist die lokale Kohärenzbildung auf der Satzebene erheblich beeinträchtigt, von der Erschwernis der globalen Verstehensprozesse auf der Textebene gar nicht zu reden.  

Automatisiert liest, wer mühelos, sicher und rasch einen Zugriff auf die Wortbedeutung und -aussprache hat. Ein zunehmend größerer Sichtwortschatz und das rasche Erkennen häufig vorkommender Funktionswörter sind damit verbunden. Auch das Erkennen der Zusammengehörigkeit von Wortgruppen zeichnet den automatisierten Lesevorgang aus. Eine hohe Anzahl von Wörtern, die noch mühsam Buchstabe für Buchstabe laut erlesen werden müssen, gilt dagegen als Anzeichen eines geringeren Automatisierungsgrades.

Die Lesegeschwindigkeit resultiert aus dem Zusammenspiel von Automatisierungsgrad und Lesegenauigkeit. Insofern ist die Lesegeschwindigkeit eine aus diesen beiden Dimensionen abgeleitete Richtgröße der Leseflüssigkeit. Wo Leseprozesse weitgehend fehlerfrei und in hohem Maße automatisiert vonstattengehen, wird schneller gelesen. Die Lesegeschwindigkeit (WPM – Wörter pro Minute) wird in aller Regel über die Anzahl der Wörter (meist in Satz- oder Textzusammenhängen) ermittelt, die in einer kurzen Zeiteinheit fehlerfrei gelesen werden. Als Mindestgeschwindigkeit für das flüssige Lesen gilt eine Leseleistung von 100 Wörtern pro Minute (WPM). Besser wäre eine »Betriebsgeschwindigkeit« um die 150 WPM (Rosebrock & Nix, 2025); sie wird in etwa beim normalen Sprechen realisiert. Beim Stillen Lesen ist die Lesegeschwindigkeit flüssiger Leser:innen weit höher.

Prosodie bezieht sich darauf, wie das Lesen klingt, und umfasst Wort- und Satzakzente, Tonhöhe, Intonation, Satzmelodie, Rhythmus, Tempo und Pausen. Angemessen segmentiert und ausdrucksvoll betont liest, wer zusammengehörende Wörter sinnstiftend zusammenzieht und beim Vorlesen an den richtigen Stellen Pausen macht. Zur Einschätzung der Intonationsfähigkeit (Prosodie) lassen sich Lautleseprotokolle nutzen, die auf Tonmitschnitten basieren. Gar keine oder nur wenige Wortgruppierungen beim Lesen oder Wortgruppierungen, die keinen Bezug zur Syntax eines Satzes haben, sind Anzeichen unzureichender prosodischer Fertigkeiten.

Warum jede Schule Lautleseverfahren einsetzen sollte

Ohne ausreichende Leseflüssigkeit wird das Verstehen in allen Fächern schwierig. Ohne sie können Kinder zwar Laute entziffern, aber nicht lernen, was diese bedeuten. Das betrifft alle Fächer, nicht nur den Deutschunterricht.

Kognitive Überlastung

Wenn Kinder beim Lesen stocken, Wörter buchstabieren oder erraten müssen, bleibt wenig geistige Kapazität für das eigentliche Verstehen des Textinhalts übrig. Die gesamte Aufmerksamkeit wird vom Entziffern einzelner Wörter absorbiert. Es bleibt kein Raum für Sinnentnahme.

Rolle des Arbeitsgedächtnisses beim Lesen

Geringe Automatisierung hemmt das Lesen

Leseflüssigkeit bedeutet, dass Worterkennung automatisiert ist. Fehlt diese Automatisierung, wirkt Lesen langsam und mühsam. Dadurch verlieren Schüler:innen schneller die Orientierung im Satz und verstehen Zusammenhänge und Fachbegriffe schlechter.

Verlust des Textzusammenhangs

Stockendes Lesen führt oft dazu, dass der Satzbau nicht mehr nachvollziehbar ist. Das erschwert das Erkennen von kausalen Beziehungen (weil, deshalb) und anderen fachlichen Zusammenhängen.

Schrift ist überall: auch in Mathe, Bio und Geschichte

In allen Fächern werden schriftliche Aufgabenstellungen, Arbeitsanweisungen, Diagramme und Sachtexte verwendet. Wer nicht flüssig lesen kann, versteht auch nicht, was zu tun ist oder worum es geht – unabhängig vom inhaltlichen Wissen.

Unzureichende Leseflüssigkeit führt zu Misserfolgen, was wiederum die Motivation senkt, überhaupt zu lesen. Wer langsam liest, benötigt mehr Zeit für dieselbe Textmenge. In Klassenarbeiten oder beim stillen Lesen führt das zu Zeitdruck, Versagensangst und oberflächlichem Lesen. Eine Abwärtsspirale, die langfristig alle Schulfächer betrifft.

Auf welchen Stufen können Lautleseverfahren eingesetzt werden?

Lautleseverfahren einen zentralen Beitrag zum Aufbau tragfähiger Lesekompetenz: eine Schlüsselvoraussetzung für fachliches Lernen auf allen Schulstufen.

Leseflüssigkeit entsteht nicht von selbst.

Sie basiert auf der Automatisierung der Worterkennung: Wörter werden so sicher und schnell erkannt, dass Aufmerksamkeit für Sinnkonstruktion frei wird. Lautleseverfahren setzen genau hier an, indem sie wiederholtes, begleitetes Vorlesen von sinnvollen Texten organisieren.

Für die Primarstufe sind die ersten Schuljahre entscheidend,

weil hier die größten Fortschritte im Wort- und Satzlesen gemacht werden. Lautleseverfahren wie Tandemlesen, Mono- und Stereolesen oder Lesetheater bieten kurze, ritualisierte Trainingssequenzen, die mehrmals pro Woche durchgeführt werden können. Sie verbessern nachweislich Geschwindigkeit, Genauigkeit und Leseausdruck – besonders bei leseschwächeren Kindern.

Auch in der Sekundarstufe bleiben Lautleseverfahren sinnvoll

Besonders schwache Leser:innen, mehrsprachige Lernende, Jugendliche mit Leseschwierigkeiten oder mit geistiger Behinderung profitieren von Lautlesetrainings.  Fallstudien und Projekte im Band „Praxis der Lautleseverfahren“ zeigen, dass wiederholtes, begleitetes Lautlesen auch bei älteren Lernenden zu deutlichen Fortschritten in Leseflüssigkeit und Selbstvertrauen führt.

Welche Faktoren machen Lautlesetrainings wirksam?

Hohe Wiederholungszahl derselben Texte, bis flüssiges Lesen gelingt

Unmittelbares Feedback durch Partner:innen oder Lehrpersonen

Motivierende Settings (Tandems, Lesetheater, mehrsprachige Projekte)

Diagnostische Begleitung, z. B. über WpM, Dekodiergenauigkeit und Lernverlaufskurven.

Video zu Leseflüssigkeit

Leseflüssigkeit fördern

Flüssig lesen zu können ist eine zentrale Voraussetzung, um Texte zu verstehen. Wo das flüssige Lesen nicht beherrscht wird, muss es trainiert werden – notfalls auch noch in der Sekundarstufe. Welche Methoden und Verfahren können Lehrer:innen dabei einsetzen?

Autor/Autorin: Andreas Gold, Judith Küppers

Herkunft: PÄDAGOGIK 5/24, Lizensiert für IQES online © Verlagsgruppe Beltz.

Umfang/Länge: 3 Seiten

Fächer: alle Fächer

Stufen: alle Stufen

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Leseflüssigkeit – Das Leseband

Dieser Film gehört zu einer Reihe von sieben Filmen zur Einführung von Lautleseverfahren
(Dauer: 20:00 Min.)