Journalistisches Schreiben im Unterricht – Die Welt ins Klassenzimmer holen:

Praktisches journalistisches Arbeiten ist hervorragend dazu geeignet, Medienbildung zu betreiben. In Zeiten von Fake News und Desinformation hilft es, die Entscheidungen und Mechanismen hinter Meldungen und Geschichten zu verstehen. Journalistische Methoden können dem Schulunterricht in allen Fächern neue Möglichkeiten hinzufügen, Informationen zu erarbeiten und sie auf vielfältige Weise weiterzuverwenden.

von

Tilman Rau

Tilman Rau studierte Politikwissenschaft, Amerikanistik und Neuere deutsche Literatur und arbeitete bereits während des Studiums für verschiedene Radio- und Zeitungsredaktionen. Nach seinem Volontariat war er als freier Journalist in den Bereichen Radio, Internet und Zeitung tätig. Seit 2002 leitet er Schreibwerkstätten und Workshops mit journalistischen und literarischen Schwerpunkten, vor allem in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Stuttgart im Rahmen des Projekts Unterricht im Dialog.

Angewandte Medienbildung in Zeiten von KI und Fake News

Journalistische Text- und Arbeitsformen bieten Schülerinnen und Schülern einen persönlichen Erfahrungs- und Experimentierraum, in dem sie sich thematisch und sprachlich entfalten können. Mehr noch: über das eigene Schreiben erweitern sie ihre Medienkompetenz. Indem sie selbst recherchieren, Interviews führen und Berichte schreiben, erschließen sie sich eigene Zugänge zur Welt, die nicht durch vorgefertigte KI-Texte oder gefälschte Nachrichten verstellt sind.

Tilman Rau, erfahrener Journalist, arbeitet seit vielen Jahren mit Schüler:innen und Schulklassen. Im Praxis- und Ergänzungsband »Journalistisches Schreiben im Unterricht« zeigt und erklärt er Methoden und Projekte, die den unkomplizierten Einstieg ins journalistische Arbeiten ermöglichen.

Schüler:innen lassen sich gerne mal überfordern.
Vorausgesetzt, sie werden nicht benotet

Mehr als Zeitung in der Schule

Mehr denn je wird unser Bild von der Welt nicht von unseren eigenen Erfahrungen bestimmt, sondern von Medien und Algorithmen. Damit geht ein großes Stück Kontrolle verloren, das wir über uns und unser Leben haben.

Aus diesem Grund zielt die IQES-Publikation »Journalistisches Schreiben im Unterricht« zunächst darauf ab, diese Kontrolle zumindest teilweise wiederzuerlangen. Indem man nämlich durch den praktischen Umgang mit Medien, ihren Methoden und Inhalten, ganz automatisch auch die Mechanismen und Entscheidungen begreift, die hinter dem stecken, was uns Tag für Tag als fertige und unveränderliche Wirklichkeit vorgesetzt wird.

Darüber hinaus erfordert journalistische Arbeit, mit der Welt außerhalb des Klassenzimmers in Kontakt und Kommunikation zu treten, und zwar ganz direkt. Bei der Recherche werden alle Sinne eingesetzt, Gespräche geführt und Beobachtungen gemacht. Dies schult den Umgang mit der eigenen Wahrnehmung und ihrer Verarbeitung. Außerdem stärken Interviews und direkte Teilnahme an Ereignissen das Selbstvertrauen sowie das Vertrauen in die eigene Intuition.

Journalistische Konzepte treffen auf Realität im Klassenzimmer

Wirklichkeit abbilden

Journalismus dient dazu, uns einen Überblick über die Welt zu verschaffen und auch diejenigen Dinge sichtbar zu machen, die verborgen sind oder außerhalb unserer Reichweite. Aber selbst wenn wir um Vollständigkeit bemüht sind, werden wir immer nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden. Welcher Teil der Wirklichkeit wird abgebildet? Und aus welcher Perspektive? Wenn sie selbst mit journalistischen Methoden arbeiten, müssen Schüler:innen diese Fragen selbst beantworten und erfahren, welche Entscheidungen journalistischen Inhalten und Publikationen zugrunde liegen. Im Praxisband werden die Entscheidungsprozesse praktisch und anschaulich aufgezeigt. Von der Entscheidung für ein bestimmtes Thema über den Rechercheweg – bis hin zur Festlegung auf diejenige Form, die den recherchierten Inhalten am ehesten gerecht wird.

Beim Rechercheweg ist dabei oft vor allem eines entscheidend: Welche Informationen habe ich aus eigener Erfahrung und Anschauung erhalten. Bei welchen muss ich auf das zurückgreifen, was Andere recherchiert, gefilmt, geschrieben oder einfach nur behauptet haben?

Journalistische Projekte bieten eine sehr gute Gelegenheit zu zeigen, dass beim Informationsgewinn die Recherche im Internet nur eine von mehreren Möglichkeiten ist. Je nachdem, mit welchem Thema man es zu tun hat und welche zeitlichen Möglichkeiten man hat, zählen auch die persönliche Beobachtung und das Interview dazu.

Diesen Methoden wird im Band »Journalistisches Schreiben im Unterricht« viel Aufmerksamkeit gewidmet und sie werden so beschrieben, dass sie im schulischen Kontext gut umsetzbar sind.

Je nachdrücklicher Schüler:innen in die Rolle der Journalistin/des Journalisten schlüpfen,
desto nachhaltiger wirken die Inhalte.

Methodenkompetenz statt nur Formkompetenz

Lange Jahre bestand der Kontakt, den Schüler­innen und Schüler mit dem Journalismus hatten, lediglich darin, sich mit dem Aufbau einer Tages­zeitung zu beschäftigen und die Fähigkeit zu entwickeln, statische Textformen zu identi­fizieren und ihre Eigenschaften aufzählen zu können. Keine Frage, diese Kompetenzen sind durchaus wichtig. Aber aus mehreren Gründen sind sie heute nicht mehr ausreichend. Erstens ist die klassische Zeitung mit ihrem Aufbau aus ineinandergelegten Themen­abschnitten, den sogenannten Büchern, im Alltag immer weniger präsent. Andere Medien, wie die Sozialen Netzwerke werden in der Erstellung und Verbreitung von Nachrichten immer wichtiger. Das führt – zweitens – dazu, dass sich mit den Plattformen auch die Textformen verändern. Reportagen, Berichte, Meinungsbeiträge – diese Textformen sind heute weniger gegeneinander abgegrenzt als früher. Das hat sicher damit zu tun, dass die Persönlichkeit des Autors oder der Autorin mittlerweile eine größere und sicht­barere Rolle spielt als früher. Und dies wiederum ist zumindest teilweise dem Einfluss von Social Media geschuldet – und der Doppelrolle Journalist:in / Influencer:in, die es früher in dieser Form nicht gab. Der wichtigste Grund jedoch, weshalb Journalismus im Jahr 2025 anders unterrichtet werden muss als im Jahr 1995 ist ein anderer: Das Vertrauen, das der Journalismus früher zumindest in der westlichen Hemisphäre genossen hat, ist heute praktisch vollständig verschwunden. Mehr noch: Die Tatsache, dass etwas irgendwo geschrieben steht, ist noch kein Beweis dafür, dass es auch der Wahrheit entspricht. Oft genug ist Misstrauen auch angebracht, denn in vielen Bereichen des Internets und der Sozialen Medien wimmelt es geradezu von Falsch­informationen und Fake News. Es ist also angeraten, Schüler:innen Instrumen­tarien und Kenntnisse an die Hand zu geben, die es ihnen erleichtern und ermöglichen, Herkunft und Machart von Informationen, Nachrichten und Inhalten zu beurteilen, die ihnen im Alltag begegnen.

Fächer- und themenübergreifendes Arbeiten

Die Methoden des journalistischen Arbeitens sind nicht an ein bestimmtes Schulfach gebunden, sondern können praktisch in jedem Fach eingesetzt oder für die interdisziplinäre Arbeit genutzt werden.

Zum Beispiel dort, wo Schüler:innen mittels Interview Expert:innenwissen direkt an der Quelle abgreifen. Oder in allen Bereichen, in denen es um teilnehmende Beobachtung und die Verwertung der dabei gesammelten Erfahrungen geht.

Gewinn für Schülerinnen und Schüler

  • Praktische Medienerfahrung
  • Grundlagen journalistischen Arbeitens
  • Informationen direkt an ihrer Quelle sammeln
  • Möglichkeit, eigene Themen und Perspektiven einzubringen
  • Vielfalt und Flexibilität journalistischer Darstellungsformen kennenlernen
  • Vertrauen in die eigenen Sinne vertiefen

Mehrwert für die Schule

  • Außerschulische Inhalte in den schulischen Kontext integrieren
  • Bereicherung des Unterrichts durch journalistische Methoden
  • Fächerübergreifende Anwendungsmöglichkeiten
  • Beitrag zur Schulentwicklung im Bereich Medienbildung